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Politik: Der Volcker-Bericht spricht von knapp 54.000 so genannten "nachrichtenlosen Konten" bei Schweizer Banken

Mit der größten Revision der Geschichte hoffen die Geldinstitute, einen Schlussstrich unter das dunkle Kapitel ziehen zu könnenJan-Dirk Herbermann Die so genannte Volcker-Kommission hat bei schweizerischen Banken 53 886 Konten mit wahrscheinlichem oder möglichem Zusammenhang zu Opfern des Holocausts aufgespürt. Das geht aus dem am Montag in Zürich veröffentlichten Bericht des Gremiums hervor.

Mit der größten Revision der Geschichte hoffen die Geldinstitute, einen Schlussstrich unter das dunkle Kapitel ziehen zu könnenJan-Dirk Herbermann

Die so genannte Volcker-Kommission hat bei schweizerischen Banken 53 886 Konten mit wahrscheinlichem oder möglichem Zusammenhang zu Opfern des Holocausts aufgespürt. Das geht aus dem am Montag in Zürich veröffentlichten Bericht des Gremiums hervor. Die Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Chefs der US-Notenbank, Paul Volcker, untersuchte drei Jahre lang 254 Banken in der Schweiz nach verschollenen Guthaben von Opfern der deutschen Nationalsozialisten. Es handelte sich um die größte jemals durchgeführte Revision.

Die Schweizerische Bankiervereinigung begrüßte den Abschluss der Untersuchungen. Die Schweizer Banker sind überzeugt, "dass dieses Kapitel der Geschichte des Finanzplatzes Schweiz nun geschlossen werden kann". Auch die Volcker-Kommission hofft, dass jetzt ein "Schlussstrich" unter die "strittige und problematische Angelegenheit" gezogen wird. Der Konflikt um die so genannten nachrichtenlosen Konten eskalierte in den letzten Jahren zu der gefährlichsten außenpolitischen Krise in der Schweizer des 20. Jahrhunderts. Über den Gesamtwert der entdeckten Konten könne, so die Autoren des Berichts, noch nichts ausgesagt werden, "bis in einem Anspruchsprüfungsverfahren entschieden wird, welche Anspruchsteller rechtmäßigen Anspruch auf diese Konten haben".

Die Schwierigkeiten führt die Volcker-Kommission auf zwei Umstände zurück: Bei vielen Konten bestehen erhebliche Zweifel, ob sie tatsächlich Opfern des NS-Völkermordes zugerechnet werden können. Und bei mehr als der Hälfte der identifizierten Konten liegen keine Angaben über den Kontowert vor. Allerdings halten einige Mitglieder der Volcker-Kommission fest, dass der Wert der Konten sich auf bis zu 1,9 Milliarden US-Dollar belaufen könne. Dem siebenköpfigen Komitee gehören neben Volcker drei Vertreter von jüdischen Organisationen an. Zudem hat die Schweizerische Bankiervereinigung drei Mitglieder entsandt. Der genaue Betrag soll von jenen 1,25 Milliarden US-Dollar abgezogen werden, den die schweizerischen Großbanken UBS und Credit Suisse an jüdische Organisationen überweisen müssen. Darauf hatten sich die Geldinstitute im August 1998 mit Holocaust-Opfern, deren Anwälten sowie jüdischen Organisationen geeinigt. Das Abkommen kam erst nach erheblichem Druck von jüdischer Seite sowie von US-Politikern auf die schweizerischen Finanzinstitute zu Stande. Ob dieses Abkommen weiter Bestand hat, hängt jetzt von den jüdischen Organisationen und den Opfern ab. Je größer der Betrag, der infolge des Volcker-Kommissions-Berichts von den 1,25 Milliarden Dollar abgezogen wird, desto kleiner fällt die Summe aus, die an die jüdischen Organisationen überwiesen wird.

Volcker betonte jedoch: "Die Ergebnisse werden das Abkommen nicht gefährden." Auch Israel Singer vom jüdischen Weltkongress bestätigte diese Einschätzung. Von den 54 000 gefundenen Konten sollen nur die Namen von 25 000 Inhabern veröffentlicht werden. Eine umfangreichere Liste würde, so die Argumentation der Kommission, zu erheblichen Verzögerungen führen. Dann hätten die tatsächlich Berechtigten kaum Chancen, ihr Geld zu erhalten. Zusätzliche Schwierigkeiten bereiteten den Revisoren auch jene 39 980 Konten, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen wurden. Hintergrund des Konfliktes ist der deutsche Völkermord an den Juden während der NS-Herrschaft: Viele Juden brachten in den 30er Jahren ihre Vermögenswerte in sichere Staaten wie die Schweiz. Die wenigen Holocaust-Überlebenden waren oft nicht in der Lage, ihre Ansprüche zu beweisen. Vorwürfe, die Schweizer Banken hätten systematisch die Kontounterlagen von NS-Opfern zerstört, konnte die Kommission nicht bestätigen. "Es gibt jedoch bestätigte Anzeichen für fragwürdige und unlautere Vorgehensweisen einzelner Banken bei der Behandlung der Konten von Opfern", heißt es. Zudem fand das Volcker-Team bei den Schweizer Banken rund 1600 Konten, die möglicherweise von hohen NS-Funktionären angelegt worden waren.

Jan-Dirk Herbermann

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