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Politik: Der Vorhersager

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Ironie ist eben doch ein sehr gefährliches Stilmittel. Wann geht er nach Brüssel, was hat er gesagt?

Von Hans Monath

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Ironie ist eben doch ein sehr gefährliches Stilmittel. Wann geht er nach Brüssel, was hat er gesagt? So fragte am Dienstagabend ein besorgter Korrespondent aus dem Ausland, nachdem Joschka Fischer beim Pressefest des Auswärtigen Amtes die Gäste begrüßt hatte. Unter kühlem Sommerhimmel auf dem Dach des Ministeriums hoch über dem Werderschen Markt hatte der Hausherr aber keineswegs eine politische Sensation verkündet. Vielmehr forderte er die Journalisten in launiger Form auf, auch weiterhin die Außenpolitik zu interpretieren sowie über ihren Hauptakteur und dessen Körpergewicht zu spekulieren: „Wann geht Fischer nach Europa und warum bleibt er in Berlin? Wie sieht es mit seinem Gewicht aus?“ Mit spöttischem Ton las der Chefdiplomat den Gästen einen Artikel über das Fest des vergangenen Jahres vor. Damals, im Sommer 2002, tobte der Wahlkampf, Stoiber setzte der Koalition jede Woche mehr zu, viele Beobachter wollten keinen Heller mehr auf einen Wahlsieg von Rot-Grün wetten. Noch der Umstand, dass den Gastgebern vom AA damals am späten Abend das Bier ausgegangen war, diente in der Beschreibung als Indiz dafür, dass in jenem Sommer für Fischer die letzten Tage im Amt angebrochen waren. Der Überlebenskünstler selbst erklärte damals übrigens Wahl-Umfragen so lange für irrelevant, bis die Stimmung langsam kippte. Aber dann behielt er wieder einmal Recht – und ließ das auf dem Fest nun alle wissen. Totgesagte sind bekanntlich häufig sehr vital. Vielleicht gelten ähnliche Regeln auch für Europa-Kandidaten: Weggelobte bleiben länger? Beim AA-Fest im nächsten Sommer sind alle schlauer.

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