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Politik: Der Weltkongress der Psychiatrie in Hamburg ist umstritten - wegen der Rolle des Faches unter dem Nationalsozialismus

Die Diskriminierung psychisch kranker Menschen ist ein Schwerpunktthema des Weltverbandes für Psychiatrie (WPA), der vom 6. bis zum 11.

Die Diskriminierung psychisch kranker Menschen ist ein Schwerpunktthema des Weltverbandes für Psychiatrie (WPA), der vom 6. bis zum 11. August in Hamburg tagt. Zu dem Kongress werden etwa 10 000 Experten aus zahlreichen Ländern erwartet. Weitere Schwerpunktthemen der etwa 3000 Vorträge, 350 Symposien und Diskussionen sind die psychischen Folgen von Krieg, Folter und Verfolgung, neue psychische Krankheiten, der Einsatz neuer Medikamente und neue Methoden bei der Behandlung der Sucht. Der Kongress findet erstmals in Deutschland statt. Auch deshalb widmet sich eine Gegenveranstaltung in Hamburg dem Thema "Psychiatrie im Nationalsozialismus".

Psychisch kranke Menschen sind nach Feststellung des Weltverbandes für Psychiatrie nach wie vor weltweit diskriminiert, sind Vorurteilen und Klischees ausgesetzt. Die Angst vor der Ausgrenzung hindere Erkrankte häufig daran, rechtzeitig einen Arzt aufzusuchen, sagt Professor Norman Sartorius, der Präsident des Kongresses. So gerieten diese Menschen in einen Teufelskreis: "Die Krankheit verschlimmert sich, dadurch entstehen Diskriminierung und Isolation, was wiederum das psychische Leiden verschärft. Die Chancen, wieder Fuß zu fassen, werden dadurch immer geringer." Nicht nur den Kranken, auch der Psychiatrie begegnen große Teile der Öffentlichkeit mit Misstrauen.

Der Sprecher des Kongresses, der Hamburger Suchtexperte Professor Michael Krauss, nennt das negative Image seines Faches "ein Riesenproblem". Viele Menschen "denken noch immer, dass wir Menschen ein Leben lang in Kliniken einsperren und gleichzeitig gefährliche Patienten auf die Menschen loslassen". Der WPA hat bereits 1996 in Kanada eine Kampagne gegen die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen gestartet.

Seit diesem Jahr beteiligt sich auch Deutschland daran. Hier haben sich inzwischen in mehreren Städten wie Düsseldorf, München, Hamburg, Kiel, Lübeck oder Leipzig entsprechende Gruppen gebildet, in denen unter anderen Ärzte und Schwestern, Sozialarbeiter, Juristen und Politiker zusammenkommen. An erster Stelle steht dabei die Befragung der Kranken und ihrer Angehörigen, die über ihre Erfahrungen berichten. In einem zweiten Schritt werden dann Programme erarbeitet, die die Bevölkerung über die Erkrankungen und ihre Folgen aufklären sollen.

Gleichzeitig mit dem Weltkongress findet am Pädagogischen Institut der Hamburger Universität eine Gegenveranstaltung des "Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener" (BPE) und der "Israelischen Vereinigung gegen Psychiatrie- Missbrauch " (IAAPA) statt, in deren Mittelpunkt die Beteiligung der deutschen Psychiatrie an den Massenmorden während der Zeit des Nationalsozialismus steht. Die Veranstalter vertreten die Ansicht, der Weltkongress dürfe nicht in Deutschland stattfinden. Der Weltverband versuche, durch den Veranstaltungsort Hamburg "die deutsche Psychiatrie von dem systematischen Massenmord an angeblich Geisteskranken reinzuwaschen".

Dagegen meint der Düsseldorfer Psychiater Professor Wolfgang Gaebel, Vorsitzender des Organisationskomitees des Weltkongresses, die Entscheidung für Hamburg als Veranstaltungsort sei "ein deutliches Signal, dass trotz des systematischen Missbrauchs der Psychiatrie in der Zeit des Nationalsozialismus Deutschland als Standort eines Weltkongresses wieder international akzeptiert wird".

Karsten Plog

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