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Mittendrin im Kiez.

© dapd

Politik: DER BALKAN UND WIR

Kosovo-Krieg und Wirtschaftskrise haben den Roma weiter zugesetzt. Doch viele nennen sie Asylbetrüger.

Berlin, 24. Oktober 2012, Einweihung des Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma. Ein paar Schritte entfernt debattiert der Innenausschuss des Bundestags über Maßnahmen, um Roma aus Serbien und Mazedonien fernzuhalten. Für beide Länder soll wieder die Visumspflicht gelten. Von Asylbetrug und Wirtschaftsflüchtlingen ist die Rede.

„Kriegsflüchtlinge“, nennt sie wenige Wochen später Kenan Emini während der Übergabe eines Antiziganismus-Gutachtens des Berliner Wissenschaftlers Markus End an den Menschenrechtsausschuss des Bundestags. Emini arbeitet im Göttinger Roma-Center, das sich schwerpunktmäßig mit Abschiebungen nach Serbien und Mazedonien beschäftigt. „Durch den Balkankrieg mussten etwa 120- bis 150 000 Roma die Gebiete verlassen, in denen sie 650 Jahre lang lebten.“ Roma aus dem Kosovo seien in die Nachbarländer geflohen; allein in Serbien gebe es 30 Lager. „Sie leben dort seit 13 Jahren ohne Perspektive, aber sie können auch nicht zurück.“ Der Druck auf sie werde noch schlimmer, wenn Serbien wegen deutscher Forderungen ihretwegen um seine Visafreiheit fürchten müsse.

Doch nicht erst der Krieg hat die Lage der Roma, gerade in den neuen EU-Ländern, weiter verschlimmert. Die Beschäftigungsquote männlicher Roma, schreibt der Oxforder Forscher Nando Sigona, sei 1985 in Ungarn ähnlich hoch gewesen wie die der übrigen ungarischen Männer. Heute seien dagegen mindestens 70 Prozent arbeitslos. Gleichzeitig zeigten EU-weite Umfragen, dass nicht der Europagedanke wachse, sondern ein neuer Nationalismus, der sich bevorzugt gegen die Minderheit richte.

Und dies keineswegs nur in den Gegenden der EU-Osterweiterung – Pogrome in Ungarn erlangten traurige Berühmtheit – sondern auch weiter westlich. 2007 vergewaltigte und ermordete ein rumänischer Roma eine 47-jährige Italienerin. Die Tat gemeldet und zum Täter geführt hatte eine Frau aus der Barackensiedlung, in der er lebte. Das interessierte die Stadt Rom wenig. Noch in derselben Woche wurde die Siedlung abgerissen. ade

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