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Donald Trump, designierter 45. Präsident der Vereinigten Staaten, im Interview mit Kai Diekmann, Herausgeber der "Bild"-Gruppe.

© Daniel Biskup/BILD/dpa

Designierter US-Präsident: Trump und wie er die Welt sieht

Der designierte US-Präsident hat der „Bild“-Zeitung ein Interview gegeben und darin viele provokante Wahlkampf-Forderungen wiederholt. Was ist sein Bild von Europa und Deutschland - und wie realistisch sind seine Ideen?

Donald Trump hat sein erstes Interview für europäische Medien gegeben: ein gemeinsames für die deutsche „Bild“-Zeitung und die britische „Times“. Ähnlich wie bei seinen bisherigen Aussagen in US-Medien ist es eine bunte Mischung aus inhaltlich begründeten Forderungen und Ankündigungen zu Themen, bei denen ihm offenkundig die Sachkenntnis fehlt.

Verständlich ist, zum Beispiel, die Ermahnung, die europäischen Nato-Verbündeten sollten ihr Versprechen erfüllen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben.

Ignorant wirkt dagegen seine Forderung, Autokonzerne sollten Autos für den US-Markt in den USA statt in Mexiko produzieren, ausgerechnet an BMW richtet – und droht, andernfalls hohe Importzölle zu erheben. Die Bayern produzieren schon heute viel mehr Autos in den USA, als sie dort verkaufen.

Von Unwissen zeugt auch Trumps Behauptung, der Brexit sei dadurch zu erklären, dass Großbritannien so viele Flüchtlinge aufnehmen musste. Das haben die Briten gerade nicht getan.

Welches Verhältnis zwischen Deutschland und den USA strebt der künftige Präsident an?

Trump lobt Kanzlerin Angela Merkel, verurteilt aber zugleich ihre Flüchtlingspolitik. „Ich hatte großen Respekt für sie. Ich hatte das Gefühl, sie ist großartig, eine großartige Anführerin. Aber ich finde, sie hat einen äußerst katastrophalen Fehler gemacht, und zwar, all diese Illegalen ins Land zu lassen.“ Trump sagt, er liebe Deutschland: „Ich mag Ordnung. Ich mag es, wenn die Dinge ordentlich erledigt werden. Dafür sind die Deutschen ziemlich bekannt. Und ich mag Stärke.“ Er erklärt eine Art Heimatliebe zur Pfalz, woher sein Großvater stammt. „Ich bin sehr stolz auf Deutschland, und Deutschland ist etwas ganz Besonderes. Bad Dürkheim, ja? Das ist echtes Deutschland, nicht wahr? Keine Frage, das ist echtes Deutschland. Nein, ich bin sehr stolz auf Deutschland. Ich liebe Deutschland.“

"Bad Dürkheim, ja? Das ist echtes Deutschland, nicht wahr?" - sagt Donald Trump: "Keine Frage, das ist echtes Deutschland. Nein, ich bin sehr stolz auf Deutschland. Ich liebe Deutschland.“
"Bad Dürkheim, ja? Das ist echtes Deutschland, nicht wahr?" - sagt Donald Trump: "Keine Frage, das ist echtes Deutschland. Nein, ich bin sehr stolz auf Deutschland. Ich liebe Deutschland.“

© Immanuel Giel/Wikimedia Public Domain

Wie ist sein Bild von der EU?

Trumps Aussagen zur EU wirken so, als sehe er in ihr keine politische Union, sondern lediglich eine Freihandelszone, die dem Absatz deutscher Waren nützt. Ob Europa politisch geeint oder gespalten auftritt, macht für ihn keinen Unterschied: „Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritannien war auszutreten“, sagte er. Und: „Schauen Sie, zum Teil wurde die (Europäische) Union gegründet, um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt oder vereint ist, für mich spielt es keine Rolle.“ Er erwartet den weiteren Zerfall der EU: „Die Leute wollen ihre eigene Identität. Wenn Sie mich fragen: Es werden weitere Länder austreten.“

Den Brexit erklärt er mit der europäischen Flüchtlingspolitik: „Wenn sie nicht gezwungen worden wären, all diese Flüchtlinge aufzunehmen, dann wäre es nicht zum Brexit gekommen.“ Tatsächlich hat Großbritannien nur wenige tausend Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufgenommen. Die Folgen des Brexit begrüßt Trump: „Dass ihr Pfund Sterling an Wert verloren hat, ist großartig. Denn die Geschäfte laufen jetzt in vielen Teilen Großbritanniens unglaublich gut. Ich glaube, der Brexit wird sich letztlich als eine großartige Sache herausstellen.“ Er bietet London Sonderbeziehungen an. „Ich bin ein großer Fan Großbritanniens. Und wir werden sehr hart daran arbeiten, das schnell und vernünftig hinzubekommen.“

Wie will, wie kann er das umsetzen?

Als Präsident kann Trump den Handelsbeauftragten anweisen, ein eigenes Freihandelsabkommen mit Großbritannien zu vereinbaren. Solche Verhandlungen dauern nach aller Erfahrung jedoch Jahre. Und der Kongress müsste es ratifizieren. Ungewiss ist, ob das geplante Atlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und EU, das seit 2013 verhandelt wird, noch eine Zukunft hat.

Wie intensiv die Kooperation zwischen Merkel und Trump wird, hängt vom politischen Willen der beiden ab. Unter Obama war Deutschland der zentrale Ansprechpartner in Europa – von der strategischen Außenpolitik, etwa im Umgang mit Russland in der Ukrainepolitik, bis hin zu Klima- und Handelsfragen.

Was will und was kann er in und an der Nato verändern?

Trumps Äußerungen zur Nato sind wie viele seiner Statements widersprüchlich. Im Interview sagt er einerseits, die Nato sei „obsolet“, andererseits betont er, dass ihm das Transatlantische Militärbündnis „sehr wichtig“ sei. Im Englischen steht „obsolet“ nicht nur für „überflüssig“, sondern kann auch „veraltet“ oder „unmodern“ bedeuten - also reformbedüftig. Dazu passt dann, dass Trump darauf hinweist, die Nato sei „vor vielen, vielen Jahren entworfen“ worden und habe sich inzwischen „nicht genug um den Terrorismus gekümmert“.

Er fordert außerdem, dass alle Nato-Partner zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben: „Wir sollen diese Länder schützen, aber viele dieser Länder zahlen nicht, was sie zahlen müssten. Das ist sehr unfair gegenüber den Vereinigten Staaten.“ Tatsächlich sind viele Nato-Mitglieder weit davon entfernt, die erst 2014 vereinbarten Beiträge zu zahlen.

Auch Deutschland: Bis 2020 sollen die deutschen Militärausgaben zwar von aktuell 36,6 Milliarden auf knapp 40 Milliarden steigen. Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, müsste der Etat aber auf rund 60 Milliarden Euro steigen. Auch Barack Obama hat diese Diskrepanz kritisiert und Nachbesserungen gefordert. Schließlich geben die USA selbst fast 3,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für ihre Armee aus – und tragen bei vielen Nato-Einsätzen die Hauptlast. Ohne US-Großgerät – etwa Transporthubschrauber – wäre manche Mission gar nicht durchführbar. In Afghanistan stellen die USA bis heute die meisten Soldaten.

Rein formal steht es dem künftigen US-Präsidenten frei, eine Reformdebatte in der Nato anzustoßen: Laut Nato-Vertrag kann jedes Nato-Mitglied jederzeit verlangen, den Nato-Vertrag zu überprüfen, wenn „Umstände“ eintreten, die „den Frieden und die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets berühren“. Für Trump wäre es auch ein Leichtes, die Partner durch eine Einschränkung des amerikanischen Engagements in Osteuropa unter Druck zu setzen und so Veränderungen zu erzwingen. Ganz nebenbei würde das auch Russlands Präsident Wladimir Putin gut gefallen, zu dem Donald Trump gute Beziehungen aufbauen will.

Entscheidet das der Präsident?

Die Rechtslage bei außenpolitischen Verträgen und militärischen Bündnissen ist kompliziert: Der US-Präsident kann sie nicht im Alleingang neu verhandeln – aber er kann sie kündigen. Bisher glaubt freilich niemand, dass Trump dies mit dem Nordatlantikpakt von 1949 tun wird. Dass Trump mit seinen Äußerungen aber den Glauben daran aushöhlt, dass die USA auf jeden Angriff auf ein Nato-Land mit ihrer ganzen Militärmacht antworten, ist politisch auch ohne formale Veänderungen gefährlich.

Was will Trump von europäischen Autokonzernen?

Trump verlangt von allen produzierenden Konzernen, die Waren in den USA verkaufen wollen, dass sie auch in den USA produzieren und dort Arbeitsplätze schaffen. Im Interview greift er BMW an wegen des Plans, ein neues Werk in Mexiko zu bauen. „Ich liebe Mexiko, ich mag den Präsidenten, ich mag alle Leute. Aber ich würde BMW sagen, wenn sie eine Fabrik in Mexiko bauen und Autos in die USA verkaufen wollen ohne eine 35-Prozent- Steuer, dann können sie das vergessen.“

Ist das umsetzbar? Und wer entscheidet das?

Derzeit ist der Handelsverkehr zwischen den USA, Mexiko und Kanada dank des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta zollfrei, solange die dort festgeschriebenen „Rules of Origin“ erfüllt werden. Danach muss ein bestimmter Prozentsatz der Fertigung in dem Land erfolgen, wo die Firma verkaufen will. Der Präsident darf Freihandelsabkommen kündigen. Er hat auch das Recht, im Rahmen der internationalen Zollregeln Strafzölle zu erheben. Er riskiert dann aber Klagen bei der Welthandelsorganisation WTO.

Was würde es finanziell und wirtschaftlich für die Konzerne bedeuten? Und für die Kunden?

Würde Trump seine Drohung wahr machen, ausländische Autobauer mit hohen Importzöllen von Investitionen in Mexiko abzuhalten, müssten nicht nur deutsche Unternehmen ihre Geschäftspläne neu schreiben. Mexiko hat eine lange Tradition als Automobilstandort, Volkswagen zum Beispiel produziert seit 50 Jahren in dem Land. Rund 80 Prozent der Autos, die in Mexiko vom Band laufen, werden exportiert. Etwa 100 Länder werden beliefert – der Großteil der Ausfuhren entfällt aber mit 72 Prozent auf die USA, gut zehn Prozent gehen nach Kanada.

Doch „Investitionsentscheidungen in der Automobilindustrie sind langfristig geplant und werden nicht von heute auf morgen über Bord geworfen“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des deutschen Autoverbandes VDA – zu einer schnellen Kehrtwende der deutschen Konzerne wird es also nicht gleich kommen. BMW will an den Plänen für ein Werk in San Luis Potosí in Mexiko festhalten: „Die BMW Group ist in den USA zuhause“, sagte ein Sprecher. In Mexiko werde von 2019 an die BMW 3er Limousine gebaut. „Die Produktion ist für den Weltmarkt bestimmt. Somit wird das Werk in Mexiko die bisherigen 3er-Produktionsstätten in Deutschland und China ergänzen“, erklärte das Unternehmen.

Trumps Idee träfe auch den Produktionsstandort USA – denn 40 Prozent der in Mexiko verbauten Autoteile stammen aus den USA. Gemessen am Wert der Fahrzeuge ist BMW der größte Autoexporteur der Vereinigten Staaten – und exportiert weit mehr Autos aus den USA als dort verkauft werden – vor allem nach China. 35 Prozent Importzoll auf ein in Mexiko gebautes deutsches Premiumauto würden auch US-Autokäufern wehtun, die sich deutsche Marken leisten können.

Wird Trump auch als Präsident weiter so offen über Interviews und Twitter kommunizieren?

Trump hat Interviews nicht nur Medien gegeben, die ihm politisch nahestehen, sondern auch solchen, die ihn scharf kritisieren. Er sagt, er wolle das Twittern fortsetzen: „Ich dachte, ich würde es zurückschrauben, aber die Presse berichtet so unehrlich über mich – so unehrlich –, dass ich mich über Twitter äußere. Und es sind nicht 140 Zeichen, es sind jetzt 140, 280 – ich kann bing, bing, bing machen und mache einfach weiter, und sie veröffentlichen es, sobald ich es twittere.“

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