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US-Außenminister John Kerry and sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in Berlin.

© AFP

Deutsche Außenpolitik: Viel Wille, wenig Macht

Die deutsche Diplomatie läuft auf Hochtouren. Gerade in der Flüchtlingskrise ist sie gefragt. Doch schnelle Ergebnisse gibt es nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Benjamin Netanjahu trifft Angela Merkel, Netanjahu trifft Frank-Walter Steinmeier, Steinmeier trifft John Kerry, Netanjahu trifft Kerry – und das alles innerhalb von weniger als 24 Stunden in Berlin. Dass die deutsche Hauptstadt zum Ort von Verhandlungen über eine Eindämmung der Gewalt in Israel und Gesprächen über die Eskalation des Bürgerkrieges in Syrien wird, ist nicht nur den Zufälligkeiten der Terminkalender von Politikern wichtiger Staaten geschuldet.

Die dichte Abfolge von Spitzentreffen ist auch ein Zeichen dafür, dass die internationalen Erwartungen an die deutsche Außenpolitik enorm gestiegen sind.

Eine Art Mittlerrolle für Deutschland in den Bemühungen um einen politischen Rahmen für den Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und um eine Befriedung des Bürgerkrieges in Syrien wurde Außenminister Steinmeier angetragen, als er vor wenigen Tagen im Iran, in Saudi-Arabien und Jordanien Gespräche führte. Doch in den untereinander verfeindeten Hauptstädten Riad und Teheran wurde zugleich deutlich, dass beide nicht bereit sind, auch nur einen kleinen Schritt aufeinander zuzugehen. Das aber wäre eine wichtige Voraussetzung für die Deeskalation in der Region. Doch die Fronten sind verhärtet, die Gegensätze zu groß.

Steinmeier machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, als er in Jordanien am tiefsten Punkt der Erde stand und auf die politisch-symbolische Bedeutung dieses Ortes hinwies. Denn keiner hatte häufiger von der Hoffnung gesprochen, der Durchbruch bei den extrem schwierigen Atomverhandlungen mit Teheran könne zementierte Positionen erschüttern und eine neue diplomatische Dynamik in der Region entfesseln.

Der Umgang mit Flüchtlingen zeigt die engen Grenzen deutscher Außenpolitik

Die Flüchtlingskrise in Deutschland und Europa hatte den Druck auf den Außenminister noch erhöht. Sein Auftrag hieß: Fluchtursachen bekämpfen durch eine Einhegung der Gewalt in Syrien. Stattdessen bombardiert nun Russland massiv die moderaten Rebellen in Syrien, und erneut fliehen Zehntausende vor der Gewalt.

Die traurige Wahrheit ist, dass gerade in der Flüchtlingskrise die engen Grenzen außenpolitischer Gestaltung durch Deutschland und Europa deutlich werden. Das ist eine frustrierende Erfahrung gerade für Politiker, die versprochen haben, den gewachsenen außenpolitischen Anforderungen an Deutschland gerecht zu werden.

Vor eineinhalb Jahren hatte Bundespräsident Joachim Gauck eine aktivere deutsche Außenpolitik gefordert, der Außenminister und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekannten sich zu diesem Aufbruch.

Die Bundesregierung hat ihr Versprechen im Ringen um die Ukraine, aber auch bei der Entscheidung über Waffenlieferungen zum Kampf gegen den IS erfüllt und muss nun feststellen, dass gesteigerte Anstrengungen in einer "Welt in Unordnung" (Steinmeier) zumindest im Nahen und Mittleren Osten keinen Gewinn an Stabilität erbringen. Dazu kommt die Ahnung, dass Berlins Alleingang in der Flüchtlingspolitik die Handlungsfähigkeit der EU nicht gestärkt hat. Sich zurückzulehnen oder aufzugeben ist aber keine Option für die deutsche Außenpolitik. Für Merkel und Steinmeier ist die protestantische Beharrlichkeit des „Dennoch“ deshalb nicht nur ein religiöses, sondern ein politisches Gebot.

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