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Politik: Deutsche Draußenpolitik

FISCHERS ZUKUNFT

Von Christoph von Marschall

Außenminister Fischer hat sich vier große Ziele gesetzt: jede Isolierung Deutschlands zu verhindern, Europa zu einigen und zum weltpolitischen Schwergewicht zu machen, das gute Verhältnis zu den USA zu bewahren und im Nahen Osten Frieden zu schaffen. Dafür investiert er viel Energie und Zeit. Er sitzt im Europäischen Verfassungskonvent, hat mehrere Friedenspläne für Nahost entworfen und sich als erster deutscher Außenminister an eine ShuttleDiplomatie zwischen Israelis und Palästinensern gewagt. Er reist oft nach Amerika und ist dort beliebt. Inzwischen vertritt er sein Land sogar höchstpersönlich im UN-Sicherheitsrat. Und doch: Es hat wenig geholfen, auf allen vier Gebieten steht er vor einem Scherbenhaufen.

Das hat vielerlei Ursachen und liegt nicht in erster Linie an Fischer. Die Gründe lassen sich vielmehr zu einem Problem bündeln. Er hat es derzeit mit zwei Isolationisten zu tun: George W. Bush und – Gerhard Schröder. Gegen beide kann er sich mit einer diplomatischen Haltung, die die strategischen Ziele im Auge und alle dafür nötigen Optionen offenhält, nicht durchsetzen. Schlimmer noch: Er hat lange geschwiegen, als der Kanzler sich im Sommer auf den Weg ins internationale Abseits begab. Vielleicht aus Klugheit, Schröder sitzt machtpolitisch am längeren Hebel.

Vielleicht fehlte ihm aber auch der Mut, für das Herz seiner Außenpolitik zu kämpfen. Gegen einen Kanzler, der außenpolitisch eher unstrategisch und sonst vor allem an eines denkt: an eher kurzfristige, handfeste deutsche Interessen. Spät erst hat sich Fischer in der Wortwahl von Schröder abgesetzt und Testballons steigen lassen, ob etwa eine zweite UN-Resolution erforderlich sei. Er wollte wieder Manövrierraum gewinnen und einen Weg zurück an die Seite der wichtigen Europäer und der Amerikaner öffnen. Der Kanzler hat es verhindert: Für die deutsche Außenpolitik war die Festlegung von Goslar, das Nein selbst zu einer UN-Intervention, schlimmer als die „Abenteuer“-Rhetorik vom Sommer. Goslar trennt den Kanzler nicht nur von den USA, es trennt ihn von der EU.

Vermutlich wäre es nie so weit gekommen, wenn im Weißen Haus noch Bill Clinton säße. Nicht dass er nach dem 11.9. eine ganz andere Politik gemacht hätte. Aber was bei Clinton nur allerletzter Ausweg war – notfalls ohne die UN oder gegen die EU zu handeln – ist bei Bush fast ein Markenzeichen. An die UN wendet er sich nur zähneknirschend und mit der Arroganz, dass Amerika ohnehin besser wisse, was zu tun sei.

Und doch muss man sich wundern, dass der Fall Irak genügt, um die Gemeinsamkeit mit Amerika, aber auch in Europa in Frage zu stellen. Es gibt viele Regionalkriege auf der Welt, zum Teil mit weit mehr Toten, als man im Irak befürchten muss – Kriege, die die meisten Menschen im Westen auch nicht annähernd so sehr bewegen wie allein schon die Debatte um den Irak. Es geht in diesem Fall offenbar um mehr als nur eine neue Regionalordnung, es geht um das künftige Gewicht der USA, der UN, Europas, auch Arabiens – also eine neue Weltordnung.

Fischers Ziele sind dadurch weder falsch noch irreal geworden. Nur der Weg dorthin ist sehr, sehr weit geworden. Schafft er noch den Marathon? Und läuft Schröder noch in dieselbe Richtung?

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