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Politik: Deutsche Hilfe für das FBI in Guantanamo

Bremen - Deutsche Polizeibehörden haben nach Informationen des Tagesspiegels mehrfach Erkenntnisse über den Bremer Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz an die USA geliefert, obwohl die Gefangenschaft in dem US-Lager allgemein als völkerrechtswidrig eingestuft wird. Strittig ist, ob dieses Vorgehen zulässig war.

Bremen - Deutsche Polizeibehörden haben nach Informationen des Tagesspiegels mehrfach Erkenntnisse über den Bremer Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz an die USA geliefert, obwohl die Gefangenschaft in dem US-Lager allgemein als völkerrechtswidrig eingestuft wird. Strittig ist, ob dieses Vorgehen zulässig war. Bereits vor Monaten hatte Kurnaz-Anwalt Bernhard Docke in US-Akten entdeckt, dass den Amerikanern deutsche Ermittlungsergebnisse vorlagen. Sie seien wohl „über dunkle Kanäle einfach über den Großen Teich geschickt“ worden, vermutete er. Die Bremer Staatsanwaltschaft als „Herrin“ des (vorläufig eingestellten) deutschen Ermittlungsverfahrens gegen Kurnaz versicherte damals, sie habe keine Informationen herausgegeben. Zwar hätten US-Ermittler aus Gießen 2003 um Akteneinsicht gebeten, sagte Staatsanwalt Uwe Picard dem Tagesspiegel, aber er habe dies abgelehnt – weil dafür ein förmliches Rechtshilfeersuchen nötig wäre; zudem habe er „rechtsstaatliche Bedenken“ gegen Guantanamo.

Inzwischen liegen dem Tagesspiegel sichere Informationen vor, dass es Polizeibehörden waren, die ohne Wissen des Staatsanwalts Ermittlungsergebnisse weiterleiteten: 2002 und 2005 übermittelte das Bundeskriminalamt (BKA) der amerikanischen Bundespolizei FBI mindestens dreimal Erkenntnisse des Bremer Landeskriminalamts (LKA) über Kurnaz und teilweise auch über sein Umfeld – mal auf Wunsch des FBI, mal auf Anregung des LKA.

Nach Darstellung von Anwalt Docke ist polizeilicher Informationsaustausch zwar erlaubt, „aber nicht bedingungslos“: Deutschland dürfe nur Informationen ins Ausland liefern, wenn dort ein faires Verfahren gewährleistet sei und sichergestellt werde, dass die Daten nicht zur Verhängung einer Todesstrafe verwendet würden. Guantanamo aber sei ein „künstlich geschaffener rechtsfreier Raum“, den Häftlingen drohe die Todesstrafe.

Eine BKA-Sprecherin meinte dagegen auf Nachfrage, die Polizeibehörden hätten die gesetzlichen Beschränkungen des Datenaustausches beachtet: Die übermittelten Erkenntnisse seien ausdrücklich als „nicht gerichtsverwertbar“ gekennzeichnet worden. Außerdem hätten sie nichts zu einem etwaigen Todesurteil beitragen können und auch nicht dafür gesorgt, dass Kurnaz noch länger in Haft bleibe – „im Gegenteil“: In einem Punkt hätten die Daten sogar „ganz wesentlich zur Entlastung beigetragen“. Docke hält aber auch die Weitergabe von Entlastungsmaterial für unzulässig: Der für Guantanamo-Häftlinge angewandte Begriff des „feindlichen Kämpfers“ sei so weit gefasst, dass aus deutscher Sicht entlastend wirkende Informationen in den USA ganz anders gedeutet werden könnten. Stattdessen hätten die Beamten nach Dockes Ansicht nur allgemein mitteilen dürfen, dass ihnen nichts Belastendes vorliege.

Der in Bremen geborene und aufgewachsene Türke Murat Kurnaz war im Oktober 2001 nach Pakistan gereist, um angeblich den Koran zu studieren. Bei einer Buskontrolle wurde er festgenommen und als angeblicher Taliban-Kämpfer der US-Armee überstellt. Seit Anfang 2002 sitzt er ohne Haftbefehl und Anklage in Guantanamo.

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