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Doppelbotschafterin Susanne Wasum-Rainer.

© imago/Leemage

Deutsche Missionschefin in Rom: Die Doppelbotschafterin Susanne Wasum-Rainer

Sie ist Deutschlands Botschafterin in Italien, aber auch Botschafterin Italiens in der Bundesrepublik. Daheim wirbt sie um Verständnis und Respekt für Italien.

Gehen wir davon aus, dass Deutschlands Botschafterin in Italien, wie alle Diplomaten der Bundesrepublik, ihr Gehalt auch von diesem Dienstherren bekommt. Aber tatsächlich geht sie einer Doppelbeschäftigung nach, wobei der zweite Job ehrenamtlich und legal ist: Susanne Wasum-Rainer ist auch Botschafterin Italiens in der Bundesrepublik.

Natürlich nicht offiziell. Die Position in dem gewaltigen Dreißiger-Jahre-Bauwerk in der Berliner Hiroshima-Straße ist durch Pietro Benassi bestens besetzt. Aber die 60-jährige deutsche Spitzendiplomatin, die im Juli 2015 den Posten als Missionschefin an der römischen Via San Martino della Battaglia antrat, schwärmt mit einer Begeisterung und Leidenschaft von den Menschen Italiens, von ihrer Kultur, von ihrer erfolgreichen Wirtschaft, von ihrer Humanität, von der Schönheit der Landschaften, dem Reiz der Städte, dass man sie tatsächlich als Botschafterin ihres Gastlandes bezeichnen kann.

Nun könnte man denken, die gebürtige Mainzerin sei bislang vor allem in öden und einsamen Landstrichen eingesetzt gewesen und deshalb so Rom-begeistert. Aber dem ist nicht so. Rabat, Tel Aviv und Genf sind Stationen ihrer Laufbahn, und vor Rom war sie seit 2012 Botschafterin in Paris, die erste Frau dort im Amt. Paris - ein Diplomatentraum, neben Washington und London. Also muss es wohl doch Liebe sein, Liebe zu Italien.

Dabei spricht ihr Ausbildungsweg eher für wissenschaftliche Bodenhaftung und strenge Arbeitsdisziplin als für Schwärmerei: Jurastudium, Dissertation ("Der internationale Seegerichtshof im System der obligatorischen Streitbeilegungsverfahren der Seerechtskonvention"). Zwei Forschungsjahre in der Stiftung Wissenschaft und Politik, ab 1986 dann die Ausbildung für den Auswärtigen Dienst. Später ging es an der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen genauso um Internationales Recht wie zwischen 2009 und 2012 als Leiterin der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes und Völkerrechtsberaterin der Bundesregierung. Und nun Rom. Die Botschaft selbst in einem zentralen, mehrstöckigen Altbau, der vor Dezennien eine Bank beherbergte. Die Residenz, nach dem Krieg von der Bundesrepublik erworben, ein kleines Landhaus mit Garten, der aber immerhin so groß, dass man beim Empfang zum Tag der deutschen Einheit 1400 Gäste bewirten kann, zur Not im Zelt.

Sie will die Herzen und die Sinne für ihr Gastland öffnen

Auch bei diesem Empfang, bei vielen Gesprächen im Hintergrund geht es oft um Wirtschaftsfragen, geht es um Themen, über die man sich öffentlich schon mal streitet. Gerade dann können Vorurteile ausgeräumt werden - die ja Urteile sind, die man vor dem Verstehen fällt, also solche ohne Faktenfundamente. Sprechen, Zuhören, Lernen, Verstehen, Überzeugen. Das Handwerkszeug des Diplomaten. Gerade in einem Land, zu dem es so enge und vielfältige Beziehungen gibt, so wichtig, denn Deutsche und Italiener meinen, fast alles über- und voneinander zu wissen, und tappen doch so oft in die Falle von Ressentiments, und das gilt für beide Seiten. Für viele Deutsche war Italien nach dem Zweiten Weltkrieg das Land der Sehnsucht, aus ganz verschiedenen Gründen. Goethes Streben, die Seele Italiens zu erkunden, die architektonischen Schätze von der Antike bis zum Mittelalter zu sehen, die Kunstwerke in den Museen atemlos zu bestaunen, das war oft das Italienerlebnis des Bildungsbürgers. Sonne und Meer, die vermeintliche oder tatsächliche Leichtigkeit des Lebens zogen hingegen den Normalbürger an.

Bei beiden Gruppen will die Botschafterin, nun, nennen wir es: die Herzen und die Sinne für Italien öffnen. Die ersten Sätze des Gesprächs, bevor auch nur eine Frage gestellt wurde, zeigen schon die ganze Empathie, mit der Susanne Wasum-Rainer für Italien brennt: Atemberaubend schön sei es, atemberaubend auch das Licht. Und eines der bedeutendsten Industrieländer der Welt, mit einem der größten Exportüberschüsse. Die Wirtschaftskraft der Lombardei alleine, deren Ausfuhren, entsprächen dem Handelsvolumen, das Deutschland mit Japan habe. Und die Autoindustrie! Der Exportboom der deutschen Autobauer gründe ja auch auf den exzellenten Produkten der italienischen Zulieferer.

Ein Land, das sich für Europa begeistert

Und dann die Mode! Die Italiener schätzen die qualitätsvolle Verarbeitung, sagt sie. Überhaupt. Wirtschaftlicher Austausch sei für die Verständigung extrem wichtig. Natürlich gibt es, das hat sie auch beobachtet, eine unterschiedliche Methodik der Arbeit: Die Deutschen wollen alles langfristig und grundsätzlich regeln, die Italiener hingegen seien in schwierigen Situationen einfach großartig. Soll heißen, so interpretiert: bei der Bewältigung unvorhergesehener Schwierigkeiten ist die italienische Spontaneität der deutschen Gründlichkeit einfach überlegen.

Und dann das Thema Migration, Flüchtlinge, die Frage, wie umgehen mit der Situation in den Herkunftsländern. Italien hat einfach mehr Erfahrungen mit den Mittelmeerländern, speziell auch mit Libyen. Da könne man nur lernen, und gelernt werde auch. Für Italien, so versteht man, ist Kontrolle der Migration und Abstellung der Fluchtursachen das Wichtigste. Und es sei, natürlich, ein europäisches Problem.Und dann bricht es geradezu aus ihr heraus: Italien habe eine geradezu unfassbare Humanität gegenüber Flüchtlingen jeder Art, das sei tief beeindruckend. Wo man in Deutschland systematisch unterscheide zwischen tatsächlich Verfolgten und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen, sage der italienische Gesprächspartner nur, fassungslos ob solcher Differenzierung: Aber das sind doch alles Menschen!

Und noch eines: Indirekt rät Deutschlands Botschafterin in Italien ihren Landsleuten, sich selbst einmal mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Wir seien alle so effizient, analysiert sie, aber "das andere", das nicht Messbare, sei doch auch wichtig. Und dann kommt noch so ein Satz: Es nützt nichts, wenn wir wissen, dass wir recht haben, aber uns das keiner glaubt ...

Italien, so lernen wir, ist ein Land, "das wir unbedingt brauchen", ein Land, das sich für Europa begeistert, das beim 60-jährigen Jubiläum der Römischen Verträge, beim Festakt in Rom, ein "grandioser Gastgeber" gewesen sei.

Und dann gibt es noch zwei Besonderheiten in Rom. Die eine: Susanne Wasum-Rainer ist auch deutsche Botschafterin für San Marino. Ein kleiner Staat, aber eben mit gleicher Stimme in der UN-Vollversammlung wie die Großmächte. Wasum-Rainer hat, nachdem sie ihr Beglaubigungsschreiben überreicht hatte, den Außenminister angerufen und gefragt: Kann ich was für San Marino tun? Ja, war die Antwort, bei den wirtschaftlichen Kontakten helfen. Also lud sie alle Botschafter der EU-Staaten zu einer Konferenz, und die Vertreter San Marinos hatten die Gespräche, die sie brauchten. Und die zweite Besonderheit? Wasum-Rainer ist nicht die einzige deutsche Botschafterin in der Stadt. Da gibt es auch noch Annette Schavan, die Botschafterin beim Vatikan. Eine Verwaltungsgemeinschaft schmiedet beide Botschaften organisatorisch zusammen, es gibt einen gemeinsamen Kanzler. Und es passt auch menschlich, ganz persönlich. "Für mich ist Annette Schavan ein Glücksfall", sagt Susanne Wasum-Rainer, "wir machen viele Dinge zusammen."

Deutsche Diplomaten im Ausland. Tagesspiegel-Agenda stellt einige von ihnen in loser Folge vor.

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