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Ein in Deutschland hergestellter Panzer vom Typ Leopard.

© dpa

Deutsche Rüstungsexporte: „Nötig ist ein Ende der Heuchelei“

Immer wieder gibt es Schlagzeilen über deutsche Rüstungsexporte - jüngst ging es um Küstenschiffe für Saudi-Arabien. Der Rüstungsfachmann Joachim Krause bezeichnet die deutsche Politik des Waffenexports im Interview dennoch als restriktiv.

Von Hans Monath

Herr Professor Krause, wieder gibt es Schlagzeilen über Rüstungsexporte, es geht diesmal um Küstenschutzschiffe für Saudi-Arabien. Bricht die Koalition mit der restriktiven Rüstungsexportpolitik?

Nein. Die deutsche Rüstungsexportpolitik bleibt weiterhin restriktiv, weil sich die Bundesrepublik im Gegensatz zu anderen Staaten mit Waffenexporten zurückhält, wenn diese eine Krise verschärfen oder wenn damit Menschenrechte verletzt werden können. Die Waffen gehen überwiegend in Nato-Staaten, der Anteil der deutschen Waffen- und Rüstungsexporte am geschätzten globalen Rüstungsexport liegt auch deutlich unter dem Anteil Deutschlands am weltweiten Warenexport. In den Konflikten in Afrika, Asien oder im Mittleren Osten wird vornehmlich mit russischen, ukrainischen, amerikanischen, chinesischen und französischen Waffen gekämpft. Deutsche Waffen sind die Ausnahme.

Trotz restriktiver Exportrichtlinien sind wir weltweit drittgrößter Waffenexporteur. Wie passt das zusammen?

Diese Behauptung basiert auf Berechnungen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri. Sie umfassen nicht nur Waffenexporte, sondern auch Exporte rüstungstechnischen Materials, aber sehr selektiv. Ich halte die Berechnungen von Sipri für irreführend. Sie stehen im Widerspruch zu allen anderen verfügbaren Rüstungsexportdaten. Deutschland dürfte eher die Nummer 5 oder 6 sein.

Welche Gründe gibt es für Rüstungsexporte, womöglich auch in Krisenländern?

In den vergangenen 20 bis 30 Jahren haben alle Bundesregierungen – ob sozialliberal, schwarz-gelb, rot-grün oder schwarz-rot – Gründe für den Export von Waffen und Rüstungsgüter definiert. Dazu gehört zum Beispiel das „Partnership for Peace Programme“ der Nato, welches 1999 und 2002, also zur Zeit der rot-grünen Koalition, ausgeweitet wurde. Dieses Programm soll es Partnerländern außerhalb der Nato ermöglichen, an „Peace-Keeping Operationen“ und an Anti-Terrorismus-Operationen mitzuwirken. Das bedeutet auch Exporte von Waffen in diese Länder.

Gilt dies auch für Exporte in eine so sensible Region wie Arabien?

Rüstungsexperte Joachim Krause.
Rüstungsexperte Joachim Krause.

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Ja. Auch die 2004 von der Nato verabschiedete „Istanbul Cooperation Initiative“ wurde von der rot-grünen Bundesregierung mitgetragen. Sie besagt, dass wir uns als Nato-Staat an der Modernisierung der Streitkräfte arabischer Staaten in der Golf-Region beteiligen. Dazu gehört auch Saudi-Arabien. Wenn heute Vertreter der Grünen Rüstungsexporte in dieses Land geißeln, ist das Heuchelei. Küstenschutzboote für Saudi Arabien bergen keinerlei Risiko, dass damit gegen deutsche Gesetze verstoßen werden könnte.

Steht die Bundesregierung öffentlich zu ihren Exportentscheidungen?

Alle Bundesregierungen seit den 70er Jahren beanspruchten eine Rüstungsexportpolitik zu verfolgen, die sich primär an hehren politischen Zielen orientierte. Sie wollten damit einer pazifistisch gestimmten Öffentlichkeit gerecht werden. Tatsächlich haben sie alle nach realpolitischen Kriterien entschieden, ohne dass sie der grundsätzlich restriktiven Politik abgeschworen hätten.

Sollte man die Exportrichtlinien womöglich so umformulieren, damit die Bürger das Gewicht realpolitischer Erwägungen verstehen?

Ja, das wäre notwendig. Nötig sind mehr Ehrlichkeit und ein Ende der Heuchelei. Es wäre ein großer Beitrag zur Versachlichung der Diskussion, wenn die Bundesregierung sich entschließen könnte, die Rüstungsexportrichtlinien so umzuformulieren, dass diese nicht nur die Zurückhaltung beteuern, sondern konkret und nachvollziehbar aufzeigen, unter welchen Bedingungen die Bundesregierung es für vertretbar hält, Waffen und Rüstungsgüter zu exportieren. Diesem Anspruch werden die derzeitigen Richtlinien nicht gerecht.

Joachim Krause (61) ist Direktor des Instituts für Sozialwissenschaften an der Universität Kiel und forscht über Außen- und Sicherheitspolitik.

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