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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält Regierungserklärung im Bundestag.

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Update

Deutscher Bundestag: Gregor Gysi: "Lassen Sie den Maut-Quatsch"

Der Bundestag gedenkt zunächst des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges und startet dann seine Generaldebatte, in der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi ein Auge auf die Straße von Wolfgang Schäuble geworfen hat.

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Bevor die Generaldebatte am Vormittag begann, hat der Bundestag in einer Gedenkstunde an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren erinnert. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erinnerte in seiner Begrüßungsrede an das Leid, dass der „verheerendste Krieg der Geschichte“ hervorbrachte. Dabei verwies er besonders auf Polen, das am längsten unter der deutschen Besetzung litt.

"Es muss deshalb als Wunder gelten, dass Polen und Deutsche nicht nur Nachbarn sind, die sich vertrauen, sondern Freunde, die sich mögen", sagte Lammert. In den 1980er Jahren sei Polen mit seiner Solidarnosc-Bewegung zudem Vorbild für die Freiheitsbestrebungen der damaligen DDR-Bürger gewesen.

Gysi redet sich in Rage und vom Kabinett hört keiner zu

Gastredner war der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski. Er forderte eine entschlossene Haltung gegenüber Russland in der Ukraine-Krise. „Dies ist mehr als ein regionaler Konflikt“ sagte Komorowski. Die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Wales müssten konsequent umgesetzt, die Ostflanke der Nato müsse gestärkt werden. Eine Politik der Abschreckung sei kein Widerspruch zu Zusammenarbeit und Dialog. Gemeinsame Werte müssten auch verteidigt werden.

Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel bedanken sich beim polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski.
Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel bedanken sich beim polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski.

© dpa

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nahmen an der Feier teil. Der Zweite Weltkrieg begann mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939. Der 62-jährige Komorowski engagiert sich seit vielen Jahren für die deutsch-polnische Aussöhnung. In seiner Zeit als polnischer Parlamentspräsident (2007 bis 2010) kam es zu regelmäßigen Begegnungen mit seinem deutschen Amtskollegen Lammert. Auf der Tribüne nahm zahlreiche Prominenz teil. Darunter auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff sowie Rita Süssmuth, Wolfgang Thierse, Renate Schmidt, Burkhard Hirsch und Rudolf Seiters. Auf der Bundesrats-Bank nahm Klaus Wowereit Platz.

Als Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, dann die Generaldebatte eröffnete, leerte sich die Besuchertribüne deutlich. Das Plenum war noch gut gefüllt. Gysi ging zunächst nicht näher auf den Haushalt ein, sondern blickte auf die Auseinandersetzung im Irak und Syrien mit der Terrororganisation IS. Er forderte, Syriens Machthaber Assad mit in den Kampf gegen IS aufzunehmen. Mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine forderte er ein Ende der Sanktionen und ein Ende der Nato-Manöver in der Region. Mit großer Aufmerksamkeit seitens des Kabinetts konnte Gysi nicht rechnen: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) waren ins Gespräch vertieft, vermutlich haben sie versucht, ihre Maut-Streitigkeiten zu bereden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt plauderten angeregt - genau wie Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Entwicklungsminister Gerd Müller.

Gysi: "Auch Schwachsinn muss Grenzen haben"

Sehr viel anders ist es auch nicht, als Gysi innenpolitisch wird und der Bundesregierung einen falschen Sparkurs vorwirft. "Für ein sehr zweifelhaftes Denkmal verzichten sie auf alles, was Zukunft ausmacht", sagte er. Statt mehr in Kitas und den Breitbandausbau zu investieren, Straßen und Brücken zu sanieren und die kalte Progression abzubauen, halte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) krampfhaft am Ziel fest, erstmals seit 1969 keine neuen Schulden mehr zu machen. Die Bundesausgaben sollen 299,5 Milliarden Euro betragen. Außerdem forderte er die CSU auf, ihre Mautpläne aufzugeben. "Das bringt nichts." Den Verkauf von Straßen lehnte er ab . „Ich weiß ja gar nicht, wie viele Mauts wir dann überall bezahlen müssten.“ Wenn das passieren würde, versprach der Linken-Fraktionschef, werde er mit allen Mitteln versuchen, die Straße zu kaufen, in der Schäuble wohne. "Dann wird das sehr teuer für Sie, wenn Sie nach Hause wollen." Er würde zudem die Straße umbenennen. Es wäre für Schäuble äußerst peinlich, wenn er schreiben müsse, dass er "Zum Gysi Nummer 1" wohne. Das immerhin brachte ihm auf der Kabinettsbank auch ein Schmunzeln einzelner Minister. Er forderte die CSU auf: "Lassen Sie den Maut-Quatsch".

Außerdem begrüßte er, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Beobachtung der Linken beendet habe auf Druck der Linken. "Wir haben Deutschland zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verholfen", sagte Gysi. Er habe aber auch alle 16 Bundesländer angeschrieben und gefragt, wie die Praxis in den Landesämtern sei und nur aus Bayern die Antwort erhalten, dass man an der Praxis der Beobachtung der Linken festhalte. "Wir sehen uns vor Gericht wieder", kündigte Gysi an. Außerdem forderte er: "Auch Schwachsinn muss Grenzen haben." Damit bezog er sich darauf, dass Menschen, die in Bayern in den öffentlichen Dienst wollen gefragt würden, ob sie in der DDR im Verband für Kleintierzüchtung Mitglied gewesen seien.

Merkel: "Wie anders verläuft das Jahr 2014"

Wie in Großbritannien: Auch dort übergibt der Schatzminister dem Premierminister einen roten Koffer für den Haushalt. Wolfgang Schäuble, deutscher Finanzminister, behielt seinen Lederkoffer aber.
Wie in Großbritannien: Auch dort übergibt der Schatzminister dem Premierminister einen roten Koffer für den Haushalt. Wolfgang Schäuble, deutscher Finanzminister, behielt seinen Lederkoffer aber.

© Reuters

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spannte in ihrer Rede einen Bogen von der Arbeitslosigkeit über die Digitale Agenda bis hin zum strikten Sparkurs. Die Digitalisierung sei auch eine "industrielle Revolution" - nur ohne rauchende Schlote. Sie kündigte an, weiter Start-Ups und junge Unternehmer zu fördern.

Sie bekräftigte, an dem strikten Sparkurs festzuhalten. "Und das, was für Deutschland gilt, das gilt unverändert auch für Europa." Die Situation sei nach wie vor fragil - trotz jüngster Reformerfolge. Die EU-Kommission habe zu Recht vor einem Ablassen vom Reformkurs als größtem Risiko für die weitere Konjunkturerholung gewarnt. Es sei auch richtig, dass die Kommission den Druck auf solide Haushalte und Reformen aufrechterhalte: "Die Bundesregierung unterstützt die Kommission in diesem Ziel." Das Einhalten eingegangener Verpflichtungen in Europa müsse - anders als in der Vergangenheit - endlich zum Markenzeichen der Euro-Zone werden. Das schaffe Vertrauen und werde zurückgezahlt.

Merkel blickte auch auf den Mauerfall vor 25 Jahren zurück. "Wie anders verläuft jetzt das Jahr 2014". Aus dem Wunsch der Ukraine nach einer Annäherung an die EU ist ein Konflikt mit Russland entstanden. Vier Prinzipien gelte es bei der Lösung einzuhalten: keine militärische Lösung, gemeinsames europäisches Handeln, Sanktionen und diplomatische Lösungen. "Die Tür zu Verhandlungen ist und bleibt offen." Am Ende werde sie die Stärke des Rechts durchsetzen. Würde der 12 Punkte-Plan umgesetzt, würden auch die Sanktionen aufgehoben. "Sanktionen sind kein Selbstzweck."

Auch auf die Bedrohung durch die Terrororganisation "Islamischer Staat" geht Merkel ein. Sie kündigte ein entschlossenes und geschlossenes Vorgehen an. Minderheiten im Irak stünden vor existenziellen Bedrohungen.

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