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Meinungsaustausch. Die Verteidigungsministerin und der Außenminister haben sich beim Thema Irak schrittweise angenähert.

© picture alliance / dpa

Deutscher Streit um Waffen: Merkel wies Leyens "Schutzwestendoktrin" zurück

Erst sagte die Bundesregierung "Nein" zu Waffenlieferungen an die Kurden im Irak, dann war von nicht-tödlichen Waffen die Rede und schließlich von "deutschen Waffen": Rückblick auf eine aufschlussreiche Woche.

Von Antje Sirleschtov

Wenn es in der deutschen Politik um so grundsätzliche Fragen wie das militärische Eingreifen in Weltkrisenregionen geht, dann erkennt man das oft an der Wucht der Worte. In dieser Woche konnte man starke Begriffe gleich mehrfach vernehmen. Vor einer „Käßmannisierung“ der Republik, also einer militärischen Abstinenz, war die Rede und Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) fragte die Bundesregierung gar provokativ, ob sie sich angesichts der Bedrohung von Kurden und Christen im Irak eine „politisch wasserfeste Schutzwestendoktrin“ basteln wolle.

Die Frage also, ob neben den USA, Frankreich und einigen anderen europäische Staaten auch Deutschland bereit ist, die kurdischen Kämpfer gegen die islamistische Terrororganisation IS mit Waffen zu beliefern, entwickelt sich zur Grundsatzfrage künftiger deutscher Außenpolitik. Und das vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verantwortung für die Weltpolitik, über die neben Bundespräsident Joachim Gauck zu Jahresbeginn auch der Außen- und die Verteidigungsministerin der großen Koalition gesprochen hatten.

Zögern und Zaudern kennzeichnen den Auftritt der Regierung

Statt versprochener Tatkraft dominierten den Auftritt der Regierung in dieser Woche jedoch eher Zögern und Zaudern. Noch am Montag – die Regierungschefin hatte ihren Urlaub beendet – wollte Regierungssprecher Steffen Seibert von einem Nachdenken über Waffenlieferungen in den Irak nichts wissen. Die Regierung halte an dem „Grundsatz fest“, sagte Seibert entschlossen, wonach „keine Waffen in Krisengebiete geliefert werden“. Deutschland konzentriere seine Hilfe auf „humanitäre“ Unterstützung.

Das klang deutlich. Gleichwohl hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bereits Tage zuvor und erst recht nach einem Telefonat mit dem kurdischen Präsidenten Masud Barzani am Montagabend den Kurs gewechselt. Angesichts der militärischen Übermacht und der fortschreitenden humanitären Katastrophe glaubt sich Steinmeier nicht länger imstande, den Weg der Zurückhaltung beizubehalten. Seine Sorge, übrigens auch die des Vizekanzlers Sigmar Gabriel (SPD): Wenn erst die ganze Wucht der Bilder nach Europa schwappt, werde die Regierung als Drückebergerin dastehen, die den schmutzigen Job den anderen überlässt und sich auf die Lieferung von Zelten zurückzieht. „Bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren“ zu gehen, empfahl Steinmeier seiner Regierung in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dessen Inhalt am Dienstagnachmittag verbreitet wurde.

Die "Grundsätze" waren bald keine mehr

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) war da noch längst nicht so weit. Obgleich Steinmeier auch mit ihr am Dienstag Kontakt hatte und man davon ausgehen darf, dass er ihr seine Sicht auf das Thema mitgeteilt hatte, bezog sich die Verteidigungsministerin weiter auf die „Grundsätze“ der bundesdeutschen Politik: Keine Lieferung in Krisengebiete. Als eine für Stimmungsveränderungen sensible Politikerin öffnete von der Leyen allerdings ihre Strategie und führte erstmals in diesem Konflikt die Unterscheidung von nichtletalen Waffen (nach dem englischen „ non-lethal weapons“) und letalen Waffen ein. Ersteres, also Schutzwesten, Helme und Fahrzeuge würden wohl in den Nordirak aus Deutschland geliefert werden, gestand die Ministerin zu. Tödliche Waffen allerdings nicht.

Vizekanzler Gabriel hatte zu dieser Zeit bereits klargemacht, dass man „über alle Fragen der Hilfe“ reden müsse - auch über Waffenlieferungen. Gabriel hatte am Dienstag Vertreter jesidischer Gemeinden in Deutschland getroffen und die Sorge der Minderheit vor einem „Völkermord“ später übernommen. Wobei der Begriff wohl mit Bedacht gewählt war, schließlich öffnet er seit dem Kosovo das Tor für militärisches Engagement Deutschlands zumindest verbal.

Klarstellung im Kabinett

Wie das Treffen der außenpolitisch engagierten Minister mit der Kanzlerin zu diesem Thema am Rande der Kabinettssitzung am Mittwoch abgelaufen ist, darüber gibt es unterschiedliche Darstellungen in der Regierung. Einerseits wird von großer Einigkeit gesprochen, andererseits darauf verwiesen, dass sich von der Leyen von Angela Merkel hat sagen lassen müssen, dass man in dieser Krise keinen Unterschied machen solle zwischen Waffen, die töten und solchen, die nicht töten. Die Marschrichtung war damit klar: Wenn es nötig ist, liefert Deutschland auch Waffen in den Nordirak. Merkels Sprecher Seibert fand nun – nach der Kabinettsbefassung – „offene Beurteilungsspielräume“ in der restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik, wo er zwei Tage zuvor noch apodiktisch von „Grundsätzen“ gesprochen hatte. Am Freitag dann wusste der Regierungssprecher schließlich schon von „Entscheidungen“, die noch nicht gefallen seien. Was zweifellos bedeutet, dass innerhalb der Regierung klar ist, es werden Waffen geliefert, Details aber noch geprüft und mit den europäischen Partnern abgestimmt.

Frank-Walter Steinmeier gab später tatkräftig in Brüssel bekannt, dass er am Wochenende in den Irak fliegen und sich ein eigenes Bild von der Lage dort machen will. Und Ursula von der Leyen? Die wartet das offene Wort der Kanzlerin über mögliche Waffenlieferungen ab und schob am Freitag in einem „Bild“-Interview nach, bei einem drohenden Völkermord werde man auch mit „deutschen Waffen“ helfen.

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