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© AFP

Deutscher Wahlkampf: Gruscheln wie Obama

Der US-Präsident als Vorbild: Auch deutsche Politiker wollen im Internet erfolgreich Wahlkampf machen – das kann riskant sein.

Berlin - Wer beim „PolitCamp09“ auftritt, der braucht ein dickes Fell. Hinter den Diskutanten auf der Bühne steht eine riesige Leinwand, die „Twitterwall“. Auf ihr wird die Bühnendiskussion live kommentiert, in Sekundenschnelle kann dort jeder, der im Internet ist, seine Meinung über das Gesagte kundtun. Die Kurzbeiträge werden auf die Leinwand projiziert, und so läuft im Saal fast zeitgleich eine Diskussion über die Diskussion – selten war mediale Verarbeitung so direkt.

Die „Twitterwall“ zeigt im Kleinen, wozu das Internet fähig ist: schnelle, ungefilterte Kommunikation mit geringem Aufwand und großer Reichweite. Kein Wunder also, dass im Superwahljahr auch die deutschen Parteien das Internet für sich entdecken. „Das Internet verändert die politische Kultur“, sagt Valentin Tomaschek, der Organisator des Berliner „PolitCamp09“. Auf der dreitägigen Veranstaltung wurden am Wochenende die Möglichkeiten diskutiert, die das Internet der Politik bietet – besonders in Zeiten des Wahlkampfes.

Barack Obama hat es vorgemacht: sein Aufstieg zum amerikanischen Präsidenten war ohne das Internet nicht denkbar. Mehr als 500 Millionen Euro an Wahlkampfspenden hat Obama über das Internet eingenommen. Vor allem hat er jedoch junge Menschen für sich begeistern können. Menschen, die sich vorher nicht für Politik interessierten.

Obama macht Schule – und so tummeln sich auch die deutschen Spitzenkandidaten verstärkt im Internet. War die persönliche Homepage schon seit Jahren ein Standard, so entdecken die Politiker jetzt auch die sozialen Netzwerke der Online-Welt für sich. Frank-Walter Steinmeier schreibt auf Facebook, und seit kurzem hat Angela Merkel eine persönliche Seite im Netzwerk studiVZ. Dort kann man sie „gruscheln“ – eine Art digitales Kuscheln. Und da fangen die Probleme des neuen Mediums an.

„Das Internet funktioniert für Politiker nur, wenn sie authentisch bleiben“, sagt Maik Bohne von der Universität Göttingen. Der 32-Jährige promoviert über die Parteinetzwerke im US-Wahlkampf. „Man kann Obama nicht einfach auf Deutschland übertragen“, sagt er. Auch Tobias Moorstedt, der während Obamas Wahlkampfes durch die USA reiste und ein Buch darüber verfasst hat, zeigt sich skeptisch ob der digitalen Gehversuche deutscher Politiker. „Viele wollen Obama kopieren, aber dabei laufen sie Gefahr, sich lächerlich zu machen“, sagt er. Als der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel seinen Online- Wahlkampf an Obama orientierte, erntete er im Internet dafür Spott. „Jeder Politiker, der sich aufs Internet einlässt, geht ein gewisses Risiko ein“, sagt Moorstedt.

Dabei versuchen die Parteien schon, imagegerecht aufzutreten. „Man kann klar erkennen, dass die Parteien unterschiedliche Ansätze verfolgen“, sagt Klas Roggenkamp von wahl.de, einer Internetseite, die die Online-Aktivitäten von rund 2500 Politikern beobachtet. So setzen die debattierfreudigen Grünen stark auf direkte, interaktive Plattformen wie etwa Twitter. Die FDP bevorzugt die repräsentative Form des Videos auf Youtube, und die SPD bewegt sich mit Facebook in der Mitte der Internetgesellschaft. Die CDU wiederum hat ein eigenes Forum gestartet, das TeAM2009 heißt – die Großbuchstaben A und M stehen für Angela Merkel.

„Dennoch sind die Botschaften der Parteien viel zu unspezifisch“, sagt Roggenkamp. Gerade das Internet biete ja die Möglichkeit, einzelne Zielgruppen gezielt anzusprechen.  Dadurch würde viel Potenzial zur Mobilisierung neuer Wähler ungenutzt bleiben.

Insgesamt nehmen die Internetaktivitäten bei allen Parteien zu. „Das Internet ist natürlich wichtig für unseren Wahlkampf“, sagt Kajo Wasserhövel, der Bundesgeschäftsführer der SPD. „Allerdings ist ein Online-Wahlkampf nur dann gut, wenn er mit realen Wahlkampfaktionen verbunden wird.“ Eben hier sieht Maik Bohne Defizite. „Obama hat die digitale Energie auf die Straße gebracht“, sagt er. So seien aus Online-Netzwerken reale Treffen von Politikinteressierten auf lokaler Ebene entstanden. „Da könnte hierzulande mehr gemacht werden.“

Lokal denken – das rät auch Tobias Moorstedt den Wahlkämpfern. „Das deutsche Wahlrecht mit seinen Direktmandaten ist doch sehr gut geeignet, um lokale Netzwerke aufzubauen“, sagt er. „Vielleicht sollte man erst mal damit anfangen, bevor man versucht, die Maximallösung aus Amerika nachzubauen.“

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