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Politik: Deutschland, das ist dein Mr. Europe

Wie ein Ostwestfale für die EU-Verfassung kämpft

Am Pfingstmontag ist Elmar Brok wieder zurück nach Europa gefahren, aber weil Europa kein richtiger Ort ist, muss man sich das so vorstellen: Er fährt von seinem Ferienhaus in Brandenburg zum Berliner BBC-Studio am Platz vor dem Neuen Tor. Dort soll er erklären, warum wir Deutschen doch ein bisschen enttäuscht sind, dass die Briten den Euro nun schon wieder nicht haben wollten. Broks nächste Station: Brüssel.

Brok ist so etwas wie der deutsche „Mr. Europe“. Er ist eines der 105 Mitglieder im EU-Konvent, der bis Freitag die Grundzüge einer europäischen Verfassung erarbeiten will. Er kommt aus Bielefeld und hat in Ostwestfalen seinen Europa-Wahlkreis – so groß wie bei Bundestagswahlen sieben Wahlkreise zusammen. Im Konvent, im Kreis der Damen und Herren aus 25 europäischen Ländern, ist er vor allem als Gegenspieler des Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing aufgefallen. Giscard hatte lange Zeit mit der Idee geliebäugelt, dass künftig in erster Linie der EU-Präsident die Geschicke Europas bestimmen soll. Brok will dagegen die beiden anderen Größen im Brüsseler Machtgefüge stärken: die Kommission und das Europaparlament.

Schon äußerlich sind der ehemalige französische Staatspräsident Giscard d’Estaing und Brok denkbar verschieden. Brok ist stämmig, blond, hat einen Schnauzbart und ist einer derjenigen, die die Arbeit des EU-Konvents in den zurückliegenden 15 Monaten immer wieder geerdet haben.

Der 20 Jahre ältere, hoch gewachsene Giscard d’Estaing entspricht nicht nur dem Typ des Grandseigneurs, er ist auch tatsächlich von Adel. Giscards Aufgabe besteht darin, aus abertausenden von widerstreitenden Interessen eine Verfassung für die künftig 450 Millionen EU-Bürger zu schmieden. Brok wiederum hat sich im Konvent immer wieder bemüht, mögliche Geheimabsprachen Giscards zu durchkreuzen. Dazu muss man wissen, dass im Konvent Volksvertreter unterschiedlichster Hierarchieebenen nebeneinander sitzen: Europaabgeordnete, Regierungsvertreter und EU-Kommissare – sie alle sind eigentlich unterschiedlich mächtig, aber hier haben sie gleichermaßen das Sagen. So sei etwa Giscard immer wieder der Versuchung ausgesetzt, „allein mit den Regierungsvertretern zu sondieren, was geht und was nicht“, kritisiert Brok den französischen Konvents-Chef.

Nur wenige Deutsche kennen sich im Brüsseler Räderwerk so gut aus wie Brok. Seit 23 Jahren sitzt er ununterbrochen im Europaparlament, und sein Credo ist stets das gleiche geblieben: Europa muss wichtiger werden, und die EU muss sich selbst ernster nehmen, wenn sie überhaupt eine Rolle in der Welt spielen will. Brok nimmt sein Geschäft jedenfalls sehr ernst. In Helmut Kohls Amtszeit hatte er einen direkten Draht zum Kanzler. Auch heute noch telefoniert er alle 14 Tage mit Kohl – er ist sein Vertrauter geblieben, über all die Jahre hinweg. Broks Kontakt zum jetzigen Kanzler ist naturgemäß weniger eng: Um alle Informationen zu bekommen, schleicht sich Brok schon mal bei einem der vielen EU-Gipfel in ein mitternächtliches Pressegespräch mit Gerhard Schröder.

Doch trotz aller Bodenständigkeit und seines Gespürs für die heimische Basis ist auch Brok nicht vor Angriffen gefeit. So wird in der CSU gegiftet, Brok schätze den Verfassungsentwurf viel zu positiv ein. Etliche Unionschristen möchten auch, dass, anders als geplant, das Wort „Gott“ in der neuen europäischen Verfassung auftaucht.

In dieser Situation macht sich eine der Stärken Broks bemerkbar: Er vermittelt zwischen der Brüsseler Welt und der aufgeregten nationalen Politik, vermittelt also auch zwischen unterschiedlichen Mentalitäten. Er erklärt, dass selbst die gläubigsten französischen Katholiken nicht auf dem Gottesbezug in der EU-Verfassung beharren. Und dann macht er sich wieder daran, Giscard seinen Traum vom übermächtigen EU-Präsidenten auszutreiben. Brok weiß, dass im Verfassungstext mitunter ein einziges Wort darüber entscheiden kann, wer künftig in der EU tatsächlich die Macht hat. Immerhin kann er sich im Streit um die richtigen Worte inzwischen der Rückendeckung seiner Parteichefin Angela Merkel sicher sein.

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