zum Hauptinhalt
Reserviert für zwei Jahre. Peter Wittig, der deutsche UN-Botschafter, auf dem Platz eines nichtständigen Mitglieds im Sicherheitsrat. Foto: Justin Lane/dpa

© picture alliance / dpa

Deutschland im UN-Sicherheitsrat: Tue Gutes und twittere darüber

Seit Jahresbeginn sitzt Deutschland im UN-Sicherheitsrat – und arbeitet vor allem an Krisenprävention.

Beim Blick auf den Tagesablauf des deutschen UN-Botschafters Peter Wittig könnte man glatt meinen, die überfällige Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sei 2005 gar nicht gescheitert. Seit Jahresbeginn hat die Bundesrepublik einen Sitz dort, zum fünften Mal. So macht sich Wittig beinahe täglich auf den kurzen Weg vom „Deutschen Haus“, dem Sitz seiner Vertretung an der UN Plaza Nr. 871, zum Gebäude der Vereinten Nationen auf der anderen Straßenseite der First Avenue. Er geht vorbei an der Plastik einer Pistole mit verknotetem Lauf, die für den friedensstiftenden Anspruch der Vereinten Nationen steht, und trifft im Beratungsraum des Sicherheitsrats auf seine Kollegen aus Brasilien, Indien, Nigeria und Südafrika. Wie Deutschland waren auch sie 2005 Anwärter auf einen ständigen Sitz. Nun gehören sie immerhin gleichzeitig zu den zehn nichtständigen Mitgliedern.

Wittig glaubt, dass diese Ansammlung von „Schwergewichten“ dem Sicherheitsrat „neue Dynamik“ verleiht. Die wird dringend gebraucht, die Erde bleibt ein unruhiger Platz, das weist der Themenkatalog in diesen Tagen aus. In Afrika entsteht durch geordnete Sezession unter UN-Aufsicht ein neuer Staat, der Südsudan. Haiti, das seit dem Sturz der Duvalier-Diktatur 1994 mehr turbulente als stabile Jahre erlebt hat, fällt nach Erdbeben und Cholera-Epidemie in Chaos und Gewalt zurück. In Nepal vermitteln die UN zwischen dem bürgerlichen Lager und den Maoisten. Vor Somalia beobachten sie den Kampf gegen Piraten. In der Elfenbeinküste möchte der Rat die friedliche Machtübergabe vom bisherigen Präsidenten Gbagbo an den Wahlsieger aus den Reihen der Opposition, Ouattara, vermitteln.

An diesen aktuellen Brennpunkten sind nicht unbedingt die vorrangigsten Interessen der Bundesrepublik bedroht. Die Mitarbeiter der deutschen Vertretung werden dennoch regelmäßig daran erinnert, dass ihr Land aus Sicht anderer Staaten ein Schwergewicht ist: die viertgrößte Wirtschaftsmacht mit einem erdumspannenden Botschaftsnetz, ein zuverlässiger Multilateralist und der drittgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen. Immer wieder rufen andere UN-Diplomaten bei der deutschen Mission an, um sich nach der Entwicklung in Haiti oder Nepal zu erkundigen. „Ihr wisst mehr, ihr habt eine Botschaft dort, wir nicht“, sagen sie zur Begründung. Die Deutschen sehen sich in der Verantwortung, dem globalen Gemeinwohl zu dienen. Den Weltfrieden, den die UN bewahren wollen, hat es zwar noch nie gegeben. Immer toben irgendwo Kriege. Aber man kann das Konfliktpotenzial reduzieren und das schlimmste Leid für die betroffenen Menschen lindern.

Neben den Prioritäten, die die aktuelle Weltlage dem Sicherheitsrat aufzwingt, setzt Deutschland eigene Schwerpunkte in den UN. Häufig flammen in fragilen Staaten nach zunächst erfolgreichen UN-Blauhelm-Einsätzen binnen fünf Jahren neue Kämpfe auf. Eine Kommission unter deutschem Vorsitz hat die Ursachen dieser Rückfälle untersucht und Präventionsstrategien entwickelt. Besonderes Augenmerk gilt dem Missbrauch von Kindern als Soldaten. Staaten, Milizen und Warlords, die das tun, sollen durch „Naming and Shaming“ an den Pranger gestellt und mit Strafen belegt werden. Umgekehrt bietet die Arbeitsgruppe den Übeltätern einen Weg an, von der „Liste der Schande“ gestrichen zu werden, wenn sie mit den UN kooperieren.

Deutschland koordiniert den Umgang mit Afghanistan im Sicherheitsrat. Es hat den Vorsitz im Sanktionausschuss für Taliban und Al Qaida, der Terroristen mit Reisebeschränkungen und Einfrieren ihrer Vermögen belegt, sowie Personen, die der Gewalt abschwören und sich am friedlichen politischen Machtkampf beteiligen wollen, wieder von der Sanktionsliste nimmt. Ein weiteres Anliegen sind Vorkehrungen gegen den Klimawandel. Nur langsam setzt sich weltweit die Einsicht durch, dass die Folgen der Erderwärmung zu den „harten Sicherheitsfragen“ gehören. Damit all die guten Taten nicht untergehen, verbreitet die deutsche UN-Vertretung ihre Aktivitäten neuerdings über Twitter. In dieser Disziplin sind die US-Kollegen mit weitem Abstand die herausragende Weltmacht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false