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Politik: Deutschland reicht die Begründung einer Klage in Den Haag ein - gegen Rechtsverstöße, nicht gegen die Todesstrafe an sich

Die Bundesregierung hat im Stillen hart gearbeitet. Am Donnerstag reichte sie beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag die 1300 Seite starke Begründung einer Klage gegen die Vereinigten Staaten ein.

Die Bundesregierung hat im Stillen hart gearbeitet. Am Donnerstag reichte sie beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag die 1300 Seite starke Begründung einer Klage gegen die Vereinigten Staaten ein. Die Bundesregierung wirft den USA Verstöße gegen das Völkerrecht im Fall LaGrand vor. Die deutschen Brüder Karl und Walter LaGrand waren wegen eines 1982 begangenen Mordes am Filialleiter einer Bank zum Tode verurteilt worden. Sie wurden im Februar und März dieses Jahres im US-Bundesstaat Arizona hingerichtet. Deutschland reichte die Klage noch im Februar, vor der Vollstreckung der Todesurteile, ein.

Die Klage sei nicht gegen die Todesstrafe als solche gerichtet, betonte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums; eine solche Klage würde ohne weiteres abgewiesen werden, weil die Todesstrafe international nicht geächtet ist. Vielmehr handele es sich um eine Klage in einem konkreten Fall. Den USA wird vorgeworfen, die Brüder LaGrand seien nach ihrer Verhaftung nicht darüber belehrt wurden, dass sie mit der deutschen Vertretung Kontakt aufnehmen könnten. Außerdem wurde die Bundesrepublik nicht über den Fall informiert. Und schließlich verstießen die USA gegen die einstweilige Verfügung des IGH, die Hinrichtungen auszusetzen. Dennoch ist die Klage von grundsätzlicher Bedeutung: Die Vereinigten Staaten sollen angehalten werden, künftig das Völkerrecht zu respektieren und den Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes Folge zu leisten.

Die USA haben, wie weitere 143 Staaten auch, das "Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen" von 1963 unterzeichnet. Sofort nach der Festnahme der verdächtigen Brüder hätte demnach eine Vertretung der Bundesrepublik informiert werden müssen. Was die Verfügung des IGH betrifft, waren Washington die Hände gebunden. Die letzte Entscheidung lag beim Bundesstaat Arizona: Gouverneurin Jane Hull hätte die LaGrand-Brüder begnadigen können. Sie lehnte dies jedoch ab, trotz eindringlicher Appelle, unter anderem vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog.

Die Vereinigten Staaten haben nun bis zum 27. März 2000 Zeit, ihre Erwiderung zu formulieren. Für die Bundesregierung ist die Klage auch deshalb wichtig, weil noch drei Deutsche in amerikanischen Todeszellen sitzen. Auch US-Menschenrechtsorganisationen werden den Fall mit großem Interesse verfolgen. Sie bemühen sich seit Jahren, die Kompetenz von Bundesgerichten zu stärken, in Strafsachen Entscheidungen der Bundesstaaten revidieren zu können. In manchen Fällen ist eine solche Überprüfung möglich; immer wieder werden auf diesem Weg Todesurteile aufgehoben, da den Angeklagten nach Auffassung eines Bundesgerichts die Ausübung von Grundrechten verweigert wurde.

Auch die Respektierung des Wiener Übereinkommens fordern amerikanische Organisationen seit langem. Nach Angaben von amnesty international warten 82 Ausländer in den Vereinigten Staaten auf ihre Hinrichtung. Seit der Wiederzulassung der Todesstrafe durch das Oberste Gericht im Jahr 1976 wurden 14 Angehörige anderer Staaten hingerichtet, allesamt in den 90er Jahren. In den meisten Fällen wurden dem "Death Penalty Information Center" zufolge die jeweiligen konsularischen Vertretungen nicht den Wiener Bestimmungen entsprechend informiert.

Paul Stoop

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