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Dem Bürgerkrieg in Syrien hatte auch der UN-Sicherheitsrat nichts entgegenzusetzen. Resolutionen gegen Präsident Assad scheiterten mehrfach am Veto Russlands und Chinas.

© Reuters

Deutschland scheidet aus UN-Sicherheitsrat aus: Durchwachsene Bilanz

Zwei Jahre lang war Deutschland im höchsten UN-Gremium vertreten - als nichtständiges Mitglied. Was hat es uns und der Welt gebracht?

Deutschland muss Abschied nehmen vom Club der Macht, dem Weltsicherheitsrat in New York. Ende Dezember scheidet das nichtständige Mitglied nach zwei Jahren turnusmäßig aus dem Spitzengremium der Vereinten Nationen aus. Zum fünften Mal in der Geschichte der UN konnte die Bundesrepublik über Krieg und Frieden mitentscheiden – als Mitglied zweiter Klasse. Denn über die eigentliche Macht verfügen die fünf ständigen Ratsmitglieder: die USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien. Sie haben das Recht, alle Entscheidungen zu blockieren. Deutschland als eines der zehn nichtständigen Mitglieder konnte nur begrenzt reüssieren. Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Eberhard Sandschneider, beurteilt die deutsche Leistung so: „Ordentlich, wenn auch weithin unspektakulär.“

Welche Berliner Entscheidung erregte in den zwei Jahren das größte Aufsehen?

In der Bilanz sticht eine Entscheidung heraus: Am 17. März 2011, die Bundesregierung hatte sich gerade an ihre neue Machtfülle gewöhnt, votierte der Sicherheitsrat über Libyen. Das Gremium ermächtigte die UN-Mitglieder, Gewalt zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen und errichtete eine Flugverbotszone. Die Resolution forcierte den Sturz des Schreckensherrschers Muammar al Gaddafi. Alle westlichen Verbündeten Deutschlands stimmten dafür. Die Bundesrepublik enthielt sich jedoch auf Geheiß von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) der Stimme – zusammen mit Russland, China, Brasilien und Indien. Die Reaktionen auf den kurzfristig beschrittenen deutschen Sonderweg konnten krasser nicht ausfallen: Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer zischte: „Mir bleibt nur die Scham für das Versagen unserer Regierung.“ Der Historiker Heinrich August Winkler dozierte: Die Libyen-Enthaltung sei „vermutlich der größte politische Fehler, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland auf außenpolitischem Gebiet überhaupt gemacht worden ist“. Amerikanische, britische und französische Regierungsvertreter warnten, dass Berlin sich in der „Isolation“ verirre. Und der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy, der für eine Militärintervention getrommelt hatte, prophezeite, Deutschland werde „bitter bezahlen“.

Welche Konsequenzen hatte die Libyen-Entscheidung?

Letztlich blieb dieser diplomatische Schritt Deutschlands ohne längerfristige Auswirkungen. Der Sturm der Entrüstung zog vorbei. „Eine Isolierung Deutschlands auf internationaler Ebene und von den wichtigsten Verbündeten ist nicht eingetreten“, analysiert die Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Beate Wagner.

Auch DGAP-Forschungsdirektor Sandschneider betont: „Die Libyen-Entscheidung wird der deutschen Außenpolitik nicht nachhaltig schaden.“ Seiner Ansicht nach hätte sich Deutschland in der Libyen-Frage wesentlich eleganter aus der Affäre ziehen können. Die Bundesregierung hätte mit Ja stimmen sollen – „aber unter dem Vorbehalt, dass sich die Bundeswehr nicht militärisch in Libyen engagiert“, sagt er.

Agierte Deutschland in anderen Krisen geschickter?

Besonders im Syrien-Konflikt machte Deutschland eine gute Figur. Das nichtständige Mitglied drängte im Sicherheitsrat früh auf eine harte Gangart gegenüber Syriens Diktator Baschar al Assad. Die Bundesregierung pochte darauf, dass die Verantwortlichen für die Verbrechen in dem Bürgerkrieg juristisch zur Rechenschaft gezogen werden. „Die deutschen Diplomaten haben sich in der Syrien-Krise sehr kreativ und ideenreich engagiert, das wird auch von den westlichen Partnern honoriert“, urteilt DGVN-Generalsekretärin Wagner. Letztlich blieben aber die Bemühungen, das Blutvergießen zu stoppen, vergeblich. Denn die UN-Vetomächte Russland und China blockieren alle scharfen Beschlüsse gegen Assad. Mit mehr Erfolg machte sich Deutschland hingegen für einen besseren Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten stark. Auf Drängen Berlins prangerten die Vereinten Nationen seit 2011 in ihrer „Liste der Schande“ auch diejenigen Kriegsparteien an, die Schulen und Krankenhäuser angreifen. „Deutschland hat sich vorbildhaft eingesetzt. Die Ausweitung der Liste der Schande kann zu Strafen für diejenigen führen, die bewusst Wehrlose in Schulen und Krankenhäusern attackieren“, sagt die UN-Sonderbeauftragte für Kinder und bewaffnete Konflikte, Leila Zerrougui.

Nachdem Deutschlands Enthaltung in der UN-Vollversammlung bei der Abstimmung über eine Aufwertung des Palästinenser-Status bei den Vereinten Nationen Ende November bereits Aufsehen erregt und Israel verärgert hatte, reihte sich Berlin am 19. Dezember im Sicherheitsrat auch in die Schar derjenigen Staaten ein, die neue Siedlungspläne in Ost-Jerusalem verurteilten. Ein weiteres Mal ging Deutschland mit diesem demonstrativen Akt auf Distanz zur Netanjahu-Regierung.

Sind die Chancen auf einen ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat gestiegen?

Berlin reklamiert offiziell weiter einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat für sich. Die letzten zwei Jahre am Hufeisentisch beeinflussten die Chancen Berlins aber kaum – sie stehen ohnehin seit Jahren schlecht. Um einen permanenten Sitz zu ergattern, müssten die UN-Mitglieder die UN-Charta ändern. „Ich halte das für völlig unrealistisch“, urteilt DGVN-Generalsekretärin Wagner. „Die Realisierungschancen stehen praktisch bei null“, sagt auch DGAP-Forschungsdirektor Sandschneider: Gegen eine Charta-Änderung würde sich zu viel Widerstand formieren – zumal die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder, an der Spitze die USA, davon nichts wissen wollten. Der Münsteraner Politikprofessor Sven Bernhard Gareis bemängelt im Gespräch mit der dpa, dass Deutschland „nirgendwo so richtig treibende Kraft sei“. „Man müsste aber Themen besetzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Hinzu komme, dass im Sicherheitsrat oft auch über die Anwendung militärischer Gewalt und andere unpopuläre Dinge entschieden werden müsse. „Ich weiß nicht, ob wir schon den Status erreicht haben, dass die deutsche Politik ihre Entscheidungen dann gegenüber der deutschen Öffentlichkeit immer vertreten kann und möchte“, sagte er.

Jan Dirk Herbermann

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