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Politik: Deutschland streitet: Wie viel Gleichheit muss sein? Zuspruch für den Bundespräsidenten aus der CDU

Aussage zu Lebensverhältnissen ist „realistisch“

Berlin - Bundespräsident Horst Köhler ist mit seinen Äußerungen zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland nicht nur auf Ablehnung vor allem im Osten, sondern auch auf Verständnis gestoßen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte dem Tagesspiegel, er begrüße die Äußerung des Bundespräsidenten als Anstoß für eine Debatte, die in der Föderalismuskommission nun dringend geführt werden müsse: „Wie viel Gleichheit wollen wir, wie viel Unterschiedlichkeit brauchen wir.“ Dies sei die eigentliche Kernfrage in der Föderalismusdebatte, und darauf habe Köhler aufmerksam machen wollen. Der sächsische CDU-Generalsekretär Hermann Winkler sagte dem Tagesspiegel: „Köhlers Position ist ehrlich und realistisch.“

Köhler hatte im Magazin „Focus“ gesagt, die Menschen in Deutschland müssten sich mit den unterschiedlichen Lebensverhältnissen abfinden. „Das geht von Nord nach Süd wie von West nach Ost.“ Wer diese Unterschiede einebnen wolle, „zementiert den Subventionsstaat und legt der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf. Wir müssen wegkommen vom Subventionsstaat.“

CDU-Chefin Angela Merkel verteidigte Köhler. Dass es Unterschiede zwischen den Regionen gebe, sei richtig. „Genau das ist auch das Merkmal unseres Wettbewerbsföderalismus“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Sie fügte aber hinzu: „Damit wir nicht jahrzehntelang besondere Subventionszahlungen in den Osten brauchen, liegt es im gesamtdeutschen Interesse, die Schere zwischen Ost und West weiter zu schließen.“ Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte, im Osten wie im Westen gebe es unter den Bundesländern „keine wirkliche Gleichheit“. Ein Bundespräsident habe die Pflicht, „die Wahrheit nicht zu verschweigen, sondern zu sagen“.

Bosbach nahm das Staatsoberhaupt gegen Kritik in Schutz: „Horst Köhler hat nicht gefordert, den Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Grundgesetz abzuschaffen. Er hat nur dafür plädiert, die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass es unterschiedliche Lebensverhältnisse gibt und schon immer gegeben hat.“ Er verstehe die Aufregung bei Landespolitikern auch deshalb nicht, weil gerade die Länder in der Föderalismuskommission darauf drängten, mehr Spielraum zu bekommen. „Das kann aber dazu führen, dass auch die regionalen Unterschiede wachsen“, sagte Bosbach. Inwieweit das gut oder schlecht sei, darüber müsse nun nach dem Anstoß Köhlers intensiver debattiert werden.

Winkler sagte, gleiche Lebensverhältnisse werde es in den nächsten Jahren in Deutschland nicht geben. „Und was wir im Osten nicht brauchen, sind leere Versprechungen, die ohnehin nicht gehalten werden können.“ Winkler verteidigte die Position der Länder. „Wir müssen von Bundesgesetzen abweichen können, um flexibler zu werden“, forderte er und nannte Tarifrecht und Arbeitsmarkt.

Auch der brandenburgische CDU-Chef Jörg Schönbohm bezeichnete Köhlers Vorstoß als im Grundsatz richtig und widersprach damit seinem Koalitionspartner Matthias Platzeck (SPD), der die Äußerungen „nicht glücklich“ nannte. Iris Gleicke (SPD), Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, rügte den Präsidenten: „Köhler rüttelt damit bewusst oder unbewusst an der besonderen Förderung für den Osten“, sagte sie der „Sächsischen Zeitung“.

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