zum Hauptinhalt
Chinas Staatspräsident Xi Jinping zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa

Deutschland und China: Angela Merkel und Xi Jinping: Strategen unter sich

China ist ein wichtiger Handelspartner für Deutschland. Das wurde auch beim Besuch von Präsident Xi Jinping in Berlin wieder deutlich. Doch wie eng sind die beiden Staaten wirklich verbunden?

Wirtschaft ist wichtig, doch Wirtschaft ist nicht alles – das wurde beim Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Berlin deutlich. Allein die Demonstrationen der Tibet-Aktivisten vor dem Kanzleramt zeigen, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen sich nicht in ökonomischen Interessen erschöpfen. Xi Jinping stellte ebenso wie andere chinesische Besucher in den Vordergrund, welchen Nutzen die „strategische Partnerschaft“ den Volkswirtschaften beider Länder bringe.

Welche politischen Erwartungen waren mit dem Besuch verknüpft?

Deutschland und andere westliche Länder setzen darauf, dass die ökonomische Verflechtung über kurz oder lang den Menschenrechten und Bürgerfreiheiten in China hilft. Bundespräsident Gauck formulierte das beim Empfang in Schloss Bellevue als aufmunterndes Lob: „Ich bin sicher: Sie werden umso mehr Erfolg haben, wenn Sie den Weg zu mehr Wettbewerb und zu einem Rechtssystem, in dem keiner über dem Gesetz stehen soll, konsequent gehen.“

Ein Mittel dazu ist der Rechtsstaatdialog, der seit 2000 praktiziert wird. In den Tagen vor Xi Jinpings Besuch hatten Medien zudem über ein verschärftes Vorgehen gegen Dissidenten in China berichtet und über Chinas Spitzenplatz bei der Zahl von Todesurteilen. Laut Amnesty International lässt China jedes Jahr Tausende hinrichten.

Daneben wünscht Deutschland, dass China mehr Verantwortung für die internationale Ordnung übernimmt, etwa gegenüber Nordkorea. Und dass es sich in seiner Außenpolitik gegenüber anderen Staaten und Kontinenten nicht allein von nationalen Interessen leiten lässt, zum Beispiel Energiefragen in Afrika.

Wie steht es um die deutsch-chinesischen Beziehungen?

Generell gelten die Beziehungen als gut. Ihr bilaterales Normalmaß wird derzeit nicht durch außergewöhnliche Enttäuschungen belastet wie zum Beispiel das Verhältnis zu Russland durch den Krim-Konflikt oder zu den USA durch die NSA-Abhöraffäre. China sieht auf vielen Gebieten Deutschland als ein Vorbild, etwa bei der technischen Qualität, den Sozialbeziehungen, dem Umweltschutz und auch beim Umgang mit ehemaligen Kriegsgegnern.

Staatspräsident Xi bemühte sich am Freitagabend mit einer bildhaften Rede vor der Körber-Stiftung, in die er Zitate deutscher Philosophen und chinesische Sprichwörter einfließen ließ, Sorgen vor Chinas Aufstieg zu entkräften. China sei „kein gefährlicher Mephisto“. Denn „ein kriegslustiges Reich, und sei es noch so stark, ist zum Untergang verurteilt.“ Er halte es lieber mit Leibnitz’ Empfehlung: „Tauschen wir unsere Gaben aus!“

China-Experten werteten es als Neuerung, dass der Präsident überhaupt einen öffentlichen Vortrag vor einer zivilgesellschaftlichen Organisation gehalten habe und bereit gewesen sei, auch unangenehme Fragen des Gastgebers wie nach der drastischen Erhöhung des Militäretats zu beantworten. Xi sagte, die Erhöhung sei „angemessen“. China sei „das Land mit den meisten Nachbarn auf der Welt“ – 20 an der Zahl – und müsse eine 22 000 Kilometer lange Außengrenze sichern. Er könne „keine angespannten Beziehungen mit den umliegenden Ländern“ erkennen. Auch „unter Freunden kann man sich mal in den Haaren liegen“. Und beim Essen können „die Schüssel und der Löffel aufeinander prallen“. Doch „wir streben nicht nach Vorherrschaft oder Hegemonie“, versicherte Xi.

Was erhofft sich die deutsche Wirtschaft vom chinesischen Besuch?

Deutschland und China werden füreinander immer wichtiger. Die Größe der chinesischen Delegation im Schlepptau von Staatspräsident Xi Jinping ist ein Beleg dafür: Er hatte 100 Wirtschaftsvertreter zu seinem Deutschlandbesuch mitgebracht.

China ist der wichtigste Wirtschaftspartner der Bundesrepublik in Asien und der drittgrößte weltweit. 2013 wurden Waren im Wert von mehr als 140 Milliarden Euro zwischen den beiden Ländern ausgetauscht. Die Exporte nach China summierten sich 2013 auf rund 67 Milliarden Euro. Exportschlager sind Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte. Für Unternehmen wie Audi ist China bereits der wichtigste Absatzmarkt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass China in etwa zehn Jahren zum Handelspartner Nummer eins aufsteigen wird. Nach Schätzungen der Wirtschaft hängen an den Exporten nach China rund eine Million Arbeitsplätze in Deutschland.

Beim Staatsbesuch haben Deutschland und China ihre bereits engen Wirtschaftsbeziehungen durch weitere Abkommen ausgebaut. Der Autohersteller Daimler und sein chinesischer Partner Beijing Automotive (BAIC) unterzeichneten einen Kooperationsvertrag im Wert von rund einer Milliarde Euro zum Ausbau der Auto- und Motorenproduktion im Gemeinschaftsunternehmen Beijing Benz.

BMW kündigte am Freitag an, die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Partner Brilliance Automotive zu vertiefen. BMW und Brilliance arbeiten seit zehn Jahren in einem Joint Venture zusammen und fertigen unter anderem den 5er im Werk Dadong in der Stadt Shenyang. Der Autobauer Opel will sich dagegen aus China zurückziehen. Modelle wie Insignia, Astra und Mokka sollen künftig unter dem Label der GM-Schwestermarke vertrieben werden.

Auch Siemens kann sich auf neue Aufträge freuen. Vertreter chinesischer Energieversorger, darunter Shanghai Electric, und Siemens-Chef Joe Kaeser unterzeichneten am Freitag eine Absichtserklärung für Partnerschaften in der Kraftwerkstechnik. Dabei geht es vor allem um die Lieferung von Turbinen und Ausrüstungen von Gaskraftwerken, um die Luftqualität in den Ballungsräumen Chinas zu verbessern.

Auch die Bundesbank und ihr chinesisches Pendant PBOC wollen in Zukunft enger kooperieren – beim Zahlungsverkehr mit der chinesischen Währung Yuan. Geplant ist der Aufbau einer sogenannten Clearing Bank, über die der Handel in Yuan abgewickelt wird. Das macht die Geschäfte mit China dann für viele deutsche Mittelständler einfacher. Neu ist die Kooperation in Landwirtschaft und Ernährung. China und Deutschland werden künftig in Peking ein gemeinsames Agrarzentrum betreiben, in dem unter anderem die Forschungsaktivitäten beider Nationen zusammengeführt werden sollen.

An diesem Samstag will Xi Jinping in Düsseldorf mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und NRW- Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) und Wirtschaftsvertretern zusammenkommen.

Wie steht es um Chinas Wirtschaft?

Chinas Wirtschaft befindet sich im Umbruch. Jahrelang wuchs das Bruttoinlandsprodukt um bis zu zehn Prozent. Experten führten das vor allem auf den florierenden Export und hohe Investitionen in Infrastrukturprojekte zurück. Seit der Finanzkrise 2008 hat sich Chinas Wachstum deutlich verlangsamt: Prognosen für das laufende Jahr rechnen nur noch mit einer Quote zwischen 7,2 und 7,5 Prozent. „Das ist im Vergleich zu anderen Schwellenländern aber immer noch ein sehr hohes Niveau“, sagt Michael Bräuninger vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Für Brasilien beispielsweise sagen Wirtschaftswissenschaftler in diesem Jahr nur eine Wachstumsquote zwischen zwei und 2,5 Prozent voraus.

Chinas Premier Li Keqiang will den Vorsprung durch ein Bündel an Maßnahmen ausbauen. Statt immer mehr Geld in Fabriken, Wohnungen und Gewerbeimmobilien zu investieren, soll das Wachstum künftig vom Konsum getragen werden. Um Geld ausgeben zu können, müssen die Bürger freilich mehr Geld in der Tasche haben, etwa durch höhere Löhne und Sparzinsen.

Zudem will Li Chinas Industriesektor aufwerten: Billige Produkte für den Export sollen um qualitativ hochwertigere Waren aus heimischer Herstellung ergänzt werden. Auch die Bedingungen für Firmengründer und Kleinunternehmer sollen sich verbessern: Der Abbau bürokratischer Schranken und besserer Zugang zu Kapital sollen die Geschäfte erleichtern. Chinas Banken bekommen mehr Freiheiten. Sie dürfen nun flexible Guthabenzinsen bieten – bislang wurden die Sätze vom Staat festgelegt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false