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Politik: „Deutschlands Visitenkarte“

In Berlins Koalition stößt der Widerstand der Bundesregierung gegen die Hauptstadtklausel auf Protest

Berlin Die Kritik von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Vorstoß Berlins, eine Hauptstadtklausel im Grundgesetz zu verankern, stößt in der rot-roten Landesregierung auf Unverständnis. „Wir gehen davon aus, dass dies nicht das letzte Wort der Bundesregierung ist“, sagte SPD-Fraktionschef Michael Müller. Die Rolle Berlins als „wichtigste Visitenkarte Deutschlands nach innen und außen“ müsse sich auch in der Finanzierung der Hauptstadtlasten niederschlagen. PDS-Landeschef Stefan Liebich forderte von der Bundesregierung „mehr Mut, sich zur Hauptstadt zu bekennen.“ Es dürfe nicht länger im Ermessen des Bundes liegen, wie weit er Berlin unterstütze.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte sich mit Rücksicht auf die Klausurtagung der Bundesstaatskommission an diesem Donnerstag nicht öffentlich äußern. Wowereit glaubt dem Vernehmen nach aber nicht, dass Zypries für die Mehrheit im Bundeskabinett spricht. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte allerdings, Zypries spreche in dieser Frage für das gesamte Kabinett.

Die Bundesjustizministerin hatte im Tagesspiegel-Interview gesagt, Berlin brauche keinen Sonderstatus in der Verfassung. Zwar spreche grundsätzlich nichts dagegen, Berlin als Hauptstadt im Grundgesetz zu erwähnen. Wowereits Vorschlag ziele jedoch darauf, „Fragen der Finanzverfassung zur Disposition zu stellen“. Diese Zielrichtung halte sie nicht für richtig. Zudem gebe es mit dem Artikel 106 schon eine Regelung im Grundgesetz, welche Kompensationen für die Hauptstadtaufgaben Berlins ermögliche.

Der Berliner FDP-Fraktionschef Martin Lindner forderte wie die Grünen eine starke Einbindung der Länder in die Hauptstadtdiskussion. Mit der Berliner CDU sind sich die Liberalen einig, dass Wowereit vor seiner Initiative mit dem Bund über die konkreten Aufgaben Berlins als Hauptstadt und deren Finanzierung hätte verhandeln müssen. Trotzdem sei es indiskutabel, so CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer, „dass sich die Bundesregierung aus der Verantwortung für die Hauptstadt stiehlt“.

Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) stellte sich hinter Zypries, was die Abwehr finanzieller Forderungen Berlins angeht. „Detaillierte Zahlungsklauseln überfrachten das Grundgesetz“, sagte Künast dem Tagesspiegel. „Berlin wäre nicht gut beraten, derlei zu fordern.“ Hauptstadtfunktion und finanzielle Erwägungen seien strikt zu trennen. Sie warnte vor Folgewirkungen. Lasse Berlin sich das Recht auf Erstattung von bundesstaatlich verursachten Kosten festschreiben, könne auch jeder Standort eines Bundesgerichts sich den Aufwand für dessen Sicherung bezahlen lassen. Dennoch hält Künast aber eine Fixierung der Rolle Berlins im Grundgesetz für wichtig. „Dass Berlin Hauptstadt ist, gehört ins Grundgesetz“, sagte sie. Wie Hymne und Flagge sei die Hauptstadt ein Staatssymbol.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning, Obmann seiner Fraktion in der Bundesstaatskommission, zeigte sich zu Wowereits Vorstoß skeptisch. „Berlin wird sich von den Reformbemühungen der Kommission keinen Schub für seine Finanzprobleme versprechen dürfen“, sagte er dem Tagesspiegel. Er fügte hinzu: „Eine funktionsfähige Hauptstadt setzt eine funktionsfähige Großstadt voraus.“ za, rvr, afk

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