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Friedrich Merz ist bei der Jungen Union beliebt, doch auch er muss erst einmal beweisen, dass er einen Neuanfang in der CDU einleiten kann.

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Deutschlandtag der Jungen Union: Das schwierige Schaulaufen der Schattenkandidaten

Die ernsthaften Aspiranten um den CDU-Vorsitz präsentieren sich vor der Jungen Union. Den Anfang machte Friedrich Merz am Freitag – und teilte ordentlich aus.

Von Robert Birnbaum

Die Veranstaltung hat einen starken Déjà-vu-Effekt. Seit drei Jahren, als Angela Merkel sich vom CDU-Vorsitz zurückzog, ist der Deutschlandtag der Jungen Union zum Schaulaufen scheidender, kommender und Wäre-gerne- CDU-Vorsitzenden geworden. Es sind die gleichen wie schon beim letzten Mal. Das sagt schon ziemlich viel über die Probleme der Wahlverlierer.

Friedrich Merz eröffnete die Gästeliste am Freitagabend, bis Sonntag folgen Gesundheitsminister Jens Spahn und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Nur Norbert Röttgen fehlt aus dem Club der ernsthaften Aspiranten.

Dafür kommt Armin Laschet. Er wird sich einiges anhören müssen. Die JU hat eine eigene Wahlanalyse formuliert, die als Antrag abgestimmt werden soll. Laschet, heißt es darin, „konnte als Kandidat die Menschen nicht so erreichen, wie es von vielen erhofft wurde“. Er habe auch anders als Merkel keine neuen Wählerschichten hinzugewinnen können, sondern sei im Gegenteil sogar für viele treue Anhänger der Grund gewesen, ihre Stimme nicht der Union zu geben.

Das ist so unbestreitbar richtig wie im Detail bemerkenswert. Die JU hat sich oft als jungkonservative Bewegung gegen Merkels Modernisierungskurs gestellt. Jetzt würdigt sie die Kanzlerin mit einem Nebensatz posthum als Stimmenbringerin. Merkel, wenn sie eingeladen wäre, fiele dazu sicherlich etwas milde Spöttisches ein.

Bemerkenswert ist noch etwas anderes. Die Jungtruppe widersteht der Versuchung, Laschet allein zum Sündenbock zu erklären. Alle kriegen ihr Fett weg: die Parteispitze, das Konrad-Adenauer-Haus, der Zwischenrufer aus München.

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Den Kanzlerkandidaten zu spät zu benennen und dabei den Willen der Basis zu ignorieren, sei einer der „schwerwiegendsten“ Fehler einer auch sonst gründlich verbockten Kampagne gewesen. Viel zu spät sei dann im Wahlkampf auf „proaktiv“ umgeschaltet worden nach Laschets Fehlstart in der Flut, viel zu spät und deshalb ohne positive Wirkung seien ihm Teams zur Seite gestellt worden und ein gutes Programm schlecht verkauft.

Dass zu zentralen Fragen wie der Klimapolitik die Wahlkämpfer an den Infoständen nichts Vernünftiges sagen konnten, ist den dort oft aktiven Jungunionisten besonders aufgefallen. „Klimaneutrales Industrieland“ und „Innovation“ seien Schlagworte geblieben, statt jedem Wahlkämpfer eine Handreichung mit fünf konkreten Innovationen zu geben.

Nun war das Vage geradezu Konzept. Es ging nur nicht mehr auf, seit der Kandidat demoliert war. Nicht rechtzeitig reagiert zu haben, geht an Laschets Adresse, aber auch ans Postfach seines Generalsekretärs. Paul Ziemiak, den seinerzeit Annegret Kramp-Karrenbauer direkt von der JU-Spitze weg engagiert hatte, steht ebenfalls auf der Gästeliste. Er soll zusammen mit dem CSU-Kollegen Markus Blume Rede und Antwort stehen.

Merz: Union ist „insolvenzgefährdeter schwerer Sanierungsfall“

Für Blume wird das auch nicht angenehm. In dem Leitantrag knöpft sich die gemeinsame Jugendtruppe von CDU und CSU seinen Chef vor. „Offene oder verdeckte Demontage aus den Führungskreisen des Kandidaten – insbesondere auch aus München – hat eine positive Imagebildung unmöglich gemacht.“ Und das sei keine Nebensache: „Auch diese Kreise tragen für das schlechte Abschneiden eine wesentliche Verantwortung.“

Der Wichtigste dieser Kreise „aus München“ stellt sich der Verantwortung in Münster bekanntlich nicht. Markus Söders kurzfristige Absage stößt der JU übel auf. Er hätte es für nötig gehalten, dass der Bayer sich stellt, sagt JU- Chef Tilman Kuban. „Wer im Wahlkampf so nachtritt wie Markus Söder, der sollte nach der Wahl nicht über Stilfragen reden“, rügt der Chef der gastgebenden NRW-Jugend, Johannes Winkel.

Aber Winkel geht auch Laschet an: Der hätte nach diesem Wahlergebnis nicht zuerst ans Kanzleramt denken müssen, sondern sich vor allem seiner Verantwortung stellen. Immerhin aber stellt sich Laschet am Sonnabend. Das zeige starken Charakter, lobt Kuban.

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Auf einen neuen Vorsitzenden kann sich die JU mangels amtlicher Bewerber nicht festlegen. Aber zum Verfahren hat der JU-Vorstand eine einstimmige Meinung. „Wir werden diese Partei nur zusammenhalten, wenn wir den nächsten Vorsitzenden in einer Mitgliederbefragung wählen“, sagt Winkel.

Friedrich Merz hat dafür, sagt er, „viel Sympathie“. Das ist verständlich. In der christdemokratischen Machtkalkulation gilt momentan die Gleichung „Basisvotum gleich Merz“. Der alte JU-Favorit nennt die CDU einen „insolvenzgefährdeten schweren Sanierungsfall“. Die Partei müsse hart an der Frage arbeiten: „Was können wir, das andere nicht können?“

Doch was er selbst an Themen aufwirft – vom Ruf des Muezzin in Köln über „Dekarbonisierung“ bis zu einem „neuen Generationenvertrag“ – findet im Saal keine Resonanz. In den Stuhlreihen plaudern sie angeregt miteinander. Merz macht noch einen Versuch: Sicher sei wichtig, wer die CDU in der Opposition führe, doch es gehe nicht um eine Person, sondern um eine Führungsmannschaft. Allerdings: „Junge Besen kehren gut. Aber die alte Bürste kennt die Ecken.“

Stephan Ebner aus Bayern dankt für die „Problembeschreibung“. Er will aber Antworten hören. Was, Herr Merz, fällt Ihnen konkret zum Klima ein? Merz reagiert geradezu empört: „Ich nehme für mich in Anspruch, wie kein anderer in der Union intensiv an diesen Fragen gearbeitet zu haben!“

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