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Das Logo der Jungen Union: Auch Angela Merkel kommt vorbei.

© dpa/Axel Heimken

Deutschlandtag der Jungen Union: Vertritt Angela Merkel noch die Jugend?

Der Parteinachwuchs von CDU und CSU trifft sich zum Deutschlandtag. Paul Ziemiak ist als Vorsitzender unumstritten - anders als die Kanzlerin, die auch vorbeikommt.

Es gibt ein offizielles Thema des Deutschlandtags der Jungen Union, der Jugendorganisation von CDU und CSU. Und es gibt ein inoffizielles. Das offizielle Thema lautet: Industrie 4.0. Das inoffizielle Thema dagegen heißt: Flucht und Zuwanderung. Rund ein Fünftel der Anträge, mit denen sich die Delegierten auseinandersetzen, befassen sich mit Flucht, Asyl, Einwanderung und Staatsbürgerschaft.

Wenn Angela Merkel am Samstag in Paderborn vorbeischaut, wo die mehr als 300 Delegierten im Namen der knapp 110.000 Mitglieder zusammentreten, hat sie ein Jahr voller Streit in der Union hinter sich - vor allem über Flüchtlingspolitik. Die CSU treibt Merkel mit der Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge vor sich her. Parteichef Horst Seehofer drohte sogar, bei der Bundestagswahl in ganz Deutschland anzutreten. Gegen die Schwesterpartei, gegen Angela Merkel. Sie ist nicht mehr unangefochten.

Der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak stellt sich hinter die Kanzlerin.
Der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak stellt sich hinter die Kanzlerin.

© picture alliance / dpa

Auch in der JU ist Unmut verbreitet, auch wenn zumindest die Obergrenze in Paderborn nicht zur Debatte steht. Im vergangenen Jahr hatte der Deutschlandtag noch beschlossen, dass sich die JU dafür einsetzen wolle. Auf dem Parteitag der CDU im Dezember trug sie dann aber doch die weichere Formulierung mit, die Zahl der Flüchtlinge müsse verringert werden. Jetzt wollte der bayerische Landesverband einen Antrag einbringen, der die CDU auffordert, eine Mitgliederbefragung zur Obergrenze abzuhalten. Die zuständige Kommission lehnte den Antrag ab.

Es geht nicht um Bayern gegen den Rest

Man bemüht sich um Geschlossenheit. "Ich glaube nicht, dass die ständigen Angriffe etwas bringen", sagt der sächsische Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Alexander Dierks. Doch das heißt nicht, dass alle mit der Flüchtlingspolitik zufrieden wären. Vor allem nicht der bayerische Landesverband. Er folgt weitgehend der Mutterpartei CSU. Die Bayern seien ganz vorne, wenn es um Kritik geht, heißt es in anderen Landesverbänden.

Doch es geht nicht um Bayern gegen den Rest. Anträge fordern etwa, die Burka solle verboten werden, die Duldung von Asylbewerbern abgeschafft, Flüchtlinge schneller abgeschoben, die Grenzen besser gesichert, Deutsch auf politischen Demonstrationen vorgeschrieben: Solche Anträge kommen aus konservativen Kreisverbänden in Hessen, Baden-Württemberg, auch in Nordrhein-Westfalen.

Der Bremer Landesvorsitzende Maximilian Neumeyer, der seinen Verband "eher im Merkel-Lager" verortet, sagt: Solche kritischen Stimmen gebe es in jedem Landesverband. Oft hänge es eher an den Kreisverbänden. Auch in Bremen habe die Flüchtlingspolitik anfangs viel Frust verursacht, nach wie vor stehe eine Minderheit in seinem Verband Merkel sehr kritisch gegenüber. Gerade mit der Kommunikation seien viele unzufrieden. Auch der Vorsitzende des Landesverbands Braunschweig Christoph Ponto sagt: "In allen Landesverbänden gibt es beide Flügel".

An der Basis ist Unmut verbreiteter als in den Landesspitzen. Der Vorsitzende des Landesverbands Oldenburg Josef Kuhlmann sagt, speziell im niedersächsischen Kommunalwahlkampf habe man das gespürt, da habe es viele hitzige Debatten gegeben. Und Maximilian Mörseburg, Kreisvorsitzender in Stuttgart, sagt, er höre immer wieder Menschen klagen, ihre Meinungen würden nicht mehr so vertreten wie früher. Viel Unmut habe sich angestaut: "Gäbe es die CSU auf Bundesebene, würden sicher viele sagen, da muss ich um meine Position nicht kämpfen."

In der JU rumort es ähnlich wie im RCDS, dem Verbund der christdemokratischen Hochschulgruppen, der kürzlich sein 65-jähriges Bestehen feierte. Dessen Vorsitzender Jenovan Krishnan sagte zu diesem Anlass, es gebe innerhalb des Verbands etliche, die sich einen anderen Kanzlerkandidaten wünschen.

So weit geht die JU nicht. Der Bundesvorsitzende Paul Ziemiak forderte in einem Interview mit dem SWR am Freitag, sich rasch auf Merkel als Kandidatin festzulegen. Aber wenn die Kanzlerin am Samstag zu den Delegierten spricht, werden die Fragen gewiss "markig", prophezeit Christoph Ponto aus Braunschweig. Er gehe aber davon aus, dass sie freundlich empfangen werde. Dass so etwas überhaupt gesagt wird, verrät etwas über den Seelenzustand in der als nicht übermäßig rebellisch geltenden JU, in der eine Kampfkandidatur um den Vorsitz wie vor zwei Jahren schon als schlechter Stil gilt.

Ziemiak hat die Organisation hinter sich gebracht

Zumindest darum muss sich die JU keine Gedanken machen, wenn am Freitagabend die erste Amtszeit des 31-jährigen Paul Ziemiak zu Ende geht. Er hatte 2014 die Nachfolge von Philipp Missfelder übernommen, der zuvor 12 Jahre im Amt war. Seitdem hat Ziemiak hat seine Organisation hinter sich gebracht. Einen Gegenkandidaten gab es im Vorfeld nicht, Ziemiak kann mit einer sicheren Wiederwahl rechnen. Fragt man in der Partei nach ihm, hört man immer wieder ähnliche Beschreibungen: Basisnah sei er, gut in der Außendarstellung, er höre zu, er diskutiere viel. Er habe die Landesverbände besucht, auch die kleinen, und auch den Unterstützern seines Konkurrenten Benedict Pöttering Posten verschafft.

Ziemiak gelingt offenbar, womit die Kanzlerin Mühe hat: dafür zu sorgen, dass sich alle berücksichtigt fühlen. Er bedient seine konservativen Mitglieder, ohne zu aggressiv aufzutreten. Einerseits fordert er ein Burka-Verbot und stellte sich in der Rentenpolitik gegen die Regierung, andererseits beharrte er beim CDU-Parteitag nicht auf der zuvor beschlossenen Obergrenze. Einerseits stellt er sich hinter Merkel, andererseits griff er am Freitag in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" die Bundesregierung scharf an. “Er tariert das sehr gut aus”, sagt Alexander Dierks. Der Kanzlerin bringt der Parteinachwuchs so viel Verständnis nicht mehr entgegen.

Jonas Schaible

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