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Diätenreform: Bremen spart – nur das Parlament nicht

"Jeden Euro zweimal umdrehen" – so heißt schon lange die Devise im extrem verschuldeten Bremen. Für das Parlament des Stadtstaates scheint das so streng nicht zu gelten.

Bremen - „Jeden Euro zweimal umdrehen“ – so heißt schon lange die Devise im extrem verschuldeten Bremen. Für das Parlament des Stadtstaates scheint das so streng nicht zu gelten. Die Bürgerschaft hat jetzt eine Diätenreform beschlossen, die angeblich „nicht einen Cent mehr kostet“, tatsächlich aber zunächst Zusatzausgaben verursacht.

2550 Euro Diät und 430 Euro Spesenpauschale – das sind bisher die Grundeinkünfte der 83 Halbtagsabgeordneten. Aber dabei bleibt es nicht. Hinzu kommen Nebenleistungen wie etwa Sitzungsgelder, Fahrtkostenerstattung, Verdienstausfall, die Pension und Sterbegeld. Mit einem „radikalen und einzigartigen Reformwerk“, so Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD), werden nun zur nächsten Wahlperiode alle Grund- und Zusatzeinkünfte zu einer Gesamtdiät zusammengefasst: steuerpflichtige 4700 Euro plus 750 Euro für persönliche Altersvorsorge anstelle der teureren staatlichen Pension.

Die von der Lokalpresse bejubelte Reform ist allerdings nicht so kostenneutral wie behauptet. Den größten Posten der abgeschafften Zusatzleistungen bildet bisher der „Ausgleichsbetrag“ für Abgeordnete aus dem öffentlichen Dienst. Anders als ihre privat beschäftigten Kollegen dürfen sie nicht nebenher weiter ins Büro gehen, verdienen also nichts nebenbei. Zum Ausgleich überweist das Parlament ihnen bislang ihr halbes Behördengehalt. Nach der Reform dürfen auch öffentlich Bedienstete in der Regel weiterarbeiten.

Deshalb wird – neben allen anderen Zusatzvergütungen – auch der Ausgleichsbetrag gestrichen. Wer jeden Euro zweimal umdreht, könnte nun diese 472 000 Euro pro Jahr einsparen. Doch eine ganz große Koalition aus SPD, CDU, Grünen und FDP hat beschlossen, auch die Ausgleichsbeträge auf alle Abgeordneten umzulegen und in die neue Gesamtdiät einfließen zu lassen. Für den Parlamentshaushalt ist diese Umschichtung kostenneutral. Aber dafür müssen nun die Behörden mehr zahlen: Für die öffentlich bediensteten Abgeordneten, die künftig halbtags zum Dienst gehen.

Als einzige Fraktion schimpfte die Linke auf diese und andere Ungereimtheiten der Reform. Sie sprach von „Selbstbedienung“, „unlauterer Trickserei“ und einer versteckten Diätenerhöhung um über 20 Prozent. Die anderen Fraktionen wetterten zurück. Sie sahen das Parlament verunglimpft. Die Grünen fühlten sich gar an den Stil von Rechtsextremisten erinnert.

Gerne verweisen die Befürworter auch darauf, dass der Bund der Steuerzahler die Reform als „wirklich großen Wurf“ lobt. Damit sagen sie aber wieder nur die halbe Wahrheit. Die privaten Finanzwächter kritisieren nämlich zugleich einen Nebenaspekt der Reform: Künftig steigen die Bremer Diäten automatisch mit der allgemeinen Einkommens- und Preisentwicklung, ohne jede Debatte. Die Linke hält das für verfassungswidrig und erwägt jetzt eine Klage vorm Bremer Staatsgerichtshof. Eckhard Stengel

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