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Der russische Präsident Wladimir Putin.

© dpa

„Dialog mit Maulkorb“: Deutsche Organisationen in Russland unerwünscht

Russland erteilt drei Organisationen faktisch ein Betätigungsverbot. Das hat auch Folgen für den deutsch-russischen Dialog.

Der deutsche Botschafter in Moskau hatte diese Wendung des Gesprächs wahrscheinlich nicht erwartet. Was er jedoch im April bei einem Besuch in der russischen Duma zu hören bekam, war eine lange Liste mit Vorwürfen gegen mehrere deutsche Organisationen. Ein Ausschuss, der sich mit ausländischer Einflussnahme in Russland befasst, warf diesen Organisationen eine „langjährige destruktive Tätigkeit“ und „Einmischung in innere Angelegenheiten Russlands“ vor.

Nach diesem Affront wurde der russische Botschafter in Deutschland zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten. Doch der Versuch, das Problem hinter den Kulissen und auf diplomatischem Weg zu klären, schlug offensichtlich fehl. Russland erklärte am Mittwochabend drei deutsche Organisationen für „unerwünscht“, sie haben dort also faktisch ein Betätigungsverbot. Denjenigen in Russland, die mit diesen Organisationen zusammenarbeiten, drohen künftig bis zu sechs Jahre Haft.

„Es wurde festgestellt, dass ihre Tätigkeit eine Bedrohung für die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung und die Sicherheit der Russischen Föderation darstellt“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Betroffen sind der Deutsch-Russische Austausch (DRA), das Zentrum Liberale Moderne sowie das Forum Russischsprachiger Europäer.

Maas kritisiert die Entscheidung aus Moskau scharf

Die Entscheidung sei „befremdlich und inakzeptabel“, erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). „Organisationen die Arbeit zu verbieten, die sich um die Verständigung zwischen unseren beiden Ländern und den Menschen bemühen, ist ein herber Rückschlag für unsere Bemühungen, ein besseres Verhältnis zu Russland zu erreichen.“ Zugleich verwies der Außenminister darauf, dass sich zwei der betroffenen Organisation – der DRA und das Zentrum Liberale Moderne - seit Jahren im Petersburger Dialog für die deutsch-russische Verständigung engagieren. „Nichts an ihrer Tätigkeit kann einen solchen Schritt rechtfertigen oder begründen.“ Maas forderte Russland auf, die Entscheidung rückgängig zu machen.

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Der Deutsch-Russische Austausch organisiert seit vielen Jahren Jugendbegegnungen und Einsätze von deutschen Freiwilligen in Russland. Das Zentrum Liberale Moderne, das von der ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck und dem Grünen-Vordenker Ralf Fücks gegründet wurde, veröffentlicht im Rahmen des Projekts „Russland verstehen“ Debattenbeiträge und arbeitet derzeit mit russischen Expertinnen und Experten beispielsweise zum Thema Klimawandel zusammen. Das „Forum Russischsprachiger Europäer“ will die Vertretung der Interessen der Russischsprachigen nicht dem Kreml überlassen. Allen drei Organisationen haben eine kritische Haltung zur Politik des Kremls.

Die Entscheidung sei ein „politischer Willkürakt“, betonten Beck und Fücks in einer Erklärung. „Wer sich kritisch mit der russischen Politik auseinandersetzt, muss damit rechnen, aus dem Land gedrängt zu werden.“

„Spielraum für die Zivilgesellschaft in Russland immer weiter eingeschränkt“

Der noch verbleibende Spielraum für die demokratische Zivilgesellschaft in Russland werde immer weiter eingeschränkt, sagte Fücks dem Tagesspiegel. „Der Austausch mit dem Westen soll möglichst unterbunden werden. Das führt zurück zu sowjetischen Verhältnissen.“ Ein „Dialog mit Maulkorb“ sei eine Farce.

Tatsächlich ist jetzt unklar, wie im Petersburger Dialog, einem vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegründeten deutsch-russischen Gesprächsforum, die gemeinsame Arbeit weitergehen kann. Bereits vor drei Jahren wurde erstmals eine deutsche Organisation, die Europäische Bewegung für Demokratische Wahlen, von den russischen Behörden für „unerwünscht“ erklärt. Deren Vorsitzende Stefanie Schiffer sitzt ebenso wie Marieluise Beck im Vorstand des Petersburger Dialogs. Schiffer bekommt seit 2018 kein russisches Visum mehr, an den dortigen Treffen des Gesprächsforums kann sie deshalb nicht teilnehmen.

Nun sind noch mehr Mitglieder des Petersburger Dialogs betroffen. „Der Kreml ist gerade dabei, den Petersburger Dialog zu torpedieren“, sagte Fücks. „Es kann nicht sein, dass wir uns in erwünschte und unerwünschte Partner auseinanderdividieren lassen.“

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