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Politik: Dicke Luft am Arbeitsplatz

Der Gewerkschaft gefällt die Ausnahme für Gaststätten nicht mehr – sie will Kellner nun vor Rauch schützen

Berlin - Von wegen Einsatz für Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz: Bisher hat sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG) in Sachen Nichtraucherschutz nicht gerade ruhmreich hervorgetan. Der Grund: Die NGG vertritt nicht nur Kellner und Barkeeper, sondern auch Beschäftigte der Tabakindustrie. Es sei ein „großes Problem, dass beide dieselbe Interessenvertretung haben“, sagt der Präsident der Nichtraucherinitiative Deutschland, Ludger Schiffler.

Umso erstaunlicher findet der Chef des 4000 Mitglieder zählenden Nichtraucherlobby nun die gewerkschaftliche Kehrtwende. Die NGG regte an, sich die bestehende Ausnahmeregelung für Gaststätten beim Nichtraucherschutz in der Arbeitsstättenverordnung vorzunehmen. „Zum Schutz der Beschäftigten sollte man eine Änderung prüfen“, sagte Sprecherin Karin Vladimirov dem Tagesspiegel. Und betonte, dass eine Streichung der Ausnahmeregelung automatisch ein Rauchverbot in Gaststätten zur Folge hätte.

Das Arbeitsministerium sieht in der Streichung des betreffenden Absatzes die „einfachste Lösung“, um ein Rauchverbot in Gaststätten zu erreichen. Dies über das Gaststättenrecht und das dafür zuständige Wirtschaftsministerium zu versuchen, wäre „jedenfalls komplizierter“, sagt ein Ministeriumssprecher – zumal das Gaststättenrecht mit der Föderalismusreform ohnehin bald Ländersache wird. Allerdings werde man „erst tätig werden, wenn klar ist, wohin es gehen soll“. Die zuständigen fünf Ministerien – für Gesundheit, Verbraucherschutz, Justiz, Arbeit und Wirtschaft – warteten einen interfraktionellen Antrag im Bundestag ab, der im Herbst eingebracht werde und umfassenden Nichtraucherschutz zum Ziel habe. Es gebe aber auch bei den Abgeordneten eine „starke Strömung“ zur Abschaffung der Ausnahmeregelung.

In der Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten durch Passivrauchen liege „letztlich der Schlüssel für eine rauchfreie Gastronomie in Deutschland“, meint Friedrich Wiebel, Vorsitzender des Ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit. Seine Organisation sei daher auf der Suche nach Betroffenen, die gegen ihre Arbeitsbedingungen juristisch vorgehen wollen. Hier gebe es zwei Möglichkeiten, sagt Wiebel. Entweder die Klage richte sich gegen die jeweiligen Gastronomen, die nichts gegen die Rauchbelastung ihrer Beschäftigten unternähmen. Oder die Betroffenen wendeten sich gleich gegen das Arbeitsschutzgesetz mit seiner Ausnahmeregelung. Erfolgversprechend sei vor allem eine Klage schwangerer Frauen, meint der Münchner Toxikologe. Sein Ärzteverein werde sich an den Kosten beteiligen. Bisher ist ihm wie auch der Gewerkschaft und der Nichtraucherinitiative noch kein Gaststättenbeschäftigter bekannt, der sich den rauchfreien Arbeitsplatz juristisch erzwingen will.

Man könne überlegen, ob Betroffenen mit besseren Abzugsanlagen oder Filtern zu helfen sei, sagt NGG-Sprecherin Vladimirov. Jedenfalls sei besserer Schutz nötig. Und wenn die freiwilligen Vereinbarungen nicht funktionierten, sei auch die Gewerkschaft für ein generelles Rauchverbot. Diesbezüglich habe man tatsächlich einen Meinungswechsel vollzogen, räumt Vladimirov ein. Als Grund nennt sie gestiegenes Gesundheitsbewusstsein. Nichtraucherlobbyist Schiffler indessen sieht noch andere Gründe. Die Zigarettenindustrie sei wie kaum eine andere Branche automatisiert worden, sagt er. Und wo weniger Menschen arbeiten, gibt es auch weniger Gewerkschaftsmitglieder.

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