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Politik: Die Abneigung der SPD verrät auch einen Modernisierungs-Prozess, den viele Sozialdemokraten noch vor sich haben

Es war eine wunderbare Zeit, diese ersten Tage im Kanzleramt: Strahlend veranstaltete der neue Kanzleramtsminister im Zimmer seines Vorgängers Friedrich Bohl kleine Fremdenführungen. Bodo Hombach gluckste vor Vergnügen, wenn er die antike Standuhr Bohls präsentierte - ein gewaltiges Möbel mit nackigen Meerjungfrauen als Uhrzeigern.

Es war eine wunderbare Zeit, diese ersten Tage im Kanzleramt: Strahlend veranstaltete der neue Kanzleramtsminister im Zimmer seines Vorgängers Friedrich Bohl kleine Fremdenführungen. Bodo Hombach gluckste vor Vergnügen, wenn er die antike Standuhr Bohls präsentierte - ein gewaltiges Möbel mit nackigen Meerjungfrauen als Uhrzeigern. Und erst das Telefon: eine riesige graue Anlage mit Lämpchen dran. Einfach süß. Die Rohrpost - ein Brüller. Die Deutschlandfahne auf dem MahaghoniStänder - ein Juwel.

Für die SPD war es eine Zeit des Aufbruchs, der Modernisierung, des Rotweins und der guten Laune. Noch nicht richtig zu Hause im neuen Büro, die Blätter im Park färbten sich gerade erst bunt, da wollte Bodo Hombach nur eins: die Erneuerung. Computer. E-Mail. Video-Konferenz. Endlich sollte das Kanzleramt den Anschluss an die Moderne nachholen, endlich der Kanzleramtsminister den elektronischen Kontakt zu seinen Freunden in aller Welt aufnehmen. Insgeheim hatte er schon darüber nachgedacht, sich das elektronische Konferenzzentrum einfach fix von der Telekom hinstellen zu lassen, erzählte Hombach im kleinen Kreis. Aber das habe er bleiben lassen - pingelige Zeitgenossen könnten das anstößig finden. Es gebe genügend Menschen, die darauf warteten, "dass wir Fehler machen. Wir müssen aufpassen."

Ein knappes Jahr und 365 Fehler später verwünschen die Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr den Tag, an dem Hombach alle Vorsicht hat fahren lassen. Der Dicke habe sie hineingeritten, gefährde den ohnehin fraglichen Erfolg bei den anstehenden Landtags- und Kommunalwahlen. Der Mann aber, der die Sozis früher aus allen Kalamitäten und Peinlichkeiten herausgehauen hat, steht diesmal nicht zur Verfügung: Bodo Hombach ist das Problem. Der beste Mann des Kanzlers wurde abgekanzelt und auf den Balkan geschickt. Jetzt ist er nicht nur nur ganz weit weg, sondern auch ganz allein. In seiner Partei will keiner mehr was mit ihm zu tun haben, auf internationalem Parkett wird er geschnitten.

Zuerst war es nur das Haus in Mülheim an der Ruhr. Hombach hatte ein respektables Heim geplant, eins, das sich auch zu repräsentativen Zwecken eignet. Bei der Finanzierung des Bauwerks ging ihm die Puste aus - so lange, bis die Rechnungen der Veba-Bauabteilung durch Zauberhand zusammenschnurrten. Hombach hat davon nichts bemerkt. Doch der Bauleiter für das 1,4-Millionen-Mark-Projekt wurde in der vergangenen Woche wegen Meineids zu einer Bewährungsstrafe verurteilt: Weil er gelogen hatte, als er behauptete, beim Bau sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Hombach, der ehemalige Kanzleramtsminister und jetzige Balkanbeauftragte der Europäischen Union, schwört, dass er mit alledem nichts zu tun hat. An dem Haus hat er keine Freude mehr. Es wurde verkauft.

In der vergangenen Woche dann der nächste Skandal. Hombachs in Parteikreisen als mittellos bekannte Mutter hatte sich mit 50 000 Mark an einem Grundstück auf der kanadischen Prominenten-Insel Vancouver Island beteiligt. Peinlich daran: Die "Hütte" (Hombach) wurde zur anderen Hälfte von der Lebensgefährtin einer der schillerndsten Persönlichkeiten der SPD-Szene in Nordrhein-Westfalen gebaut. Harry Walter ist PR-Manager und hat der Düsseldorfer SPD für insgesamt 40 Millionen Mark die Wahlkämpfe organisiert. Damals, als Bodo Hombach die graue Eminenz der nordrhein-westfälischen SPD war und die Oberaufsicht über die regelmäßige Wiederwahl von Johannes Rau hatte. Und sich eigentlich doch nach nichts anderem sehnte als "Geliebtsein, Geehrtsein", wie sein Freund Harry Walther meint. An dem Investment hat die Familie Hombach (wegen der Mücken) auch keine Freude gehabt. Es wurde verkauft.

Gestern dann der nächste Vorwurf. Für eine halbe Million Mark soll er als Kanzleramtsminister einen gepanzerten Mercedes bestellt haben - obwohl ein gleichwertiger Audi schon vor der Tür gestanden habe.

Den Job als Kanzleramtsminister wurde Hombach Ende Juni los. Er selbst habe den Kanzler gebeten, auf den Balkan zu dürfen, erzählte Hombach aufrichtig begeistert vor den Kameras. Der Posten des Balkanbeauftragten sei, so versicherte der ehemalige Salzgitter- und Preussag-Manager, "ein Traumjob". Niemand glaubte ihm. Hombach, der Albtraum der Genossen, hatte in den Wochen und Monaten zuvor viel zu viel Ärger gemacht. Statt die unterschiedlichen Strömungen in SPD und Arbeitnehmerschaft zusammenzubringen, hatte er die Gräben vertieft. Oskar Lafontaine, der ehemalige Parteivorsitzende und Finanzminister, hasst ihn. Das Bündnis für Arbeit, der große Wurf der Regierung Schröder, war unter Hombach auf dem besten Wege, in Arbeitsgruppen aufgerieben, in Komitees zerstückelt und in Tagungsmarathons kaputtorganisiert zu werden. Hombach, das Wahlkampfgenie Gerhard Schröders. Im Verwaltungsalltag des Kanzleramts war er eine Fehlbesetzung.

Nun prüfen die Untersuchungsausschüsse, nun schießen auch die eigenen Genossen. SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, Hombach in Feindschaft verbunden, orakelt über die unmittelbar bevorstehende Ablösung selbst vom Posten des Balkan-Beauftragten, "sollte noch mehr herauskommen". Und die Vorsitzende der Essener SPD, Elke Esser, will angesichts der verheerenden Wirkung der Vorwürfe, dass der Mann geht. Die Chefs der Bezirke Duisburg und Oberhausen schließen sich an. Die Partei schneidet die Verbindungen zu dem Mann ab, der einst alle Fäden in der Hand hielt.

Ohne den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen am 12. September wäre die Sache vielleicht besser gelaufen für Bodo Hombach. Doch gerade hier, in den Bergbau- und Industriestädten, in denen die CDU jahrzehntelang das Dasein einer Splitterpartei fristete, ist der SPD die Basis abhanden gekommen. "Wenn Dortmund fällt, sind Clement und Schröder schuld", heißt es im Ruhrgebiet. Der Düsseldorfer Ministerpräsident und der Bundeskanzler, die gnadenlosen Modernisierer der Partei. Männer, die der SPD ihr neues Gesicht verpassen sollten, Männer, die Bodo Hombach zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Wenn in Oberhausen Clement und Schröder genannt werden, ist Hombach gemeint.

Hombach fühlt sich missverstanden, er fühlt sich gemobbt. Zu Recht. Hombach ist nicht nur den Ruhrsozis zum Symbol für die fällige Teufelsaustreibung geworden. Der kühle Geist der modernen Sozialdemokratie soll ausgetrieben werden, die Person Hombach ist den Traditionalisten der Sozialdemokratie so etwas wie Mephisto. Die große Schlacht zwischen Modernisierern und Konservativen wird nicht offen geführt - sie wird an Bodo Hombach exerziert.

Die bösen Geister, die Gerhard Schröder und Tony Blair beim Abfassen ihres Modernisierungspapiers riefen, sie heißen Bodo Hombach und Peter Mandelson. Mandelson, bis zum vergangenen Jahr Minister im Kabinett Blair, stand nicht nur Pate für den neuen Kurs der SPD. Er ist auch der Vater der Hombachschen Art, Politik zu machen. Ein weiterer Blick nach England würde reichen, um dem Macher der neuen deutschen Sozialdemokratie das Verfahren verständlich zu machen, nach dem er jetzt unter die Räder kommt. Mandelson war der erste Spin-Doctor Europas, Hombach ist der zweite.

Spin-Doctering ist im Prinzip nichts anderes, als schlechte Nachrichten gut zu verkaufen. Als Minister waren Mandelson und Hombach die Spin-Docters für ihre Regierungschefs. Ihr tägliches Gebet galt nicht der modernen Sozialdemokratie, nicht der Reform und nicht dem Land, dem sie dienten. Sondern der Gnade, auch heute für jede Nachricht, jede Meldung über ihren Schützling den richtigen Dreh zu finden. Nicht die Nachricht ist wichtig, sondern wie sie ankommt, nicht Inhalt, sondern Form. "How can we spin this?" - das war die Frage, die sich bei Schröders schmutziger Scheidung, bei seinem Krach mit Lafontaine, bei Blairs fremdfinanzierten Toscana-Ferien, seinen Auseinandersetzungen mit Schatzkanzler Gordon Brown um die Macht in der Partei stellte.

Der Job: den Boss an die Macht bringen und dafür sorgen, dass er da bleibt. Dazu erfand Mandelson den dritten Weg, Hombach die Angebotspolitik von links. Peter Mandelson machte aus dem ambitionierten "Bambi Blair" (Parteijargon) einen vorzeigbaren Regierungschef. Bodo Hombach aus dem ehrgeizigen Ministerpräsidenten Schröder einen Kanzlerkandidaten einen Kanzler, einen Parteichef.

Für die Konservativen unter den Genossen sind Typen wie Mandelson und Hombach das schiere Grauen: Fürsten der Finsternis wurden die neuen Machiavellis parteiintern genannt. Sie nahmen ihren Chefs die Zigaretten weg und gaben ihnen teure Zigarren, sie strichen die roten Nelken und kauften rote Rosen. Champagner und Rotwein statt Bier und Korn, Cashmere und Smokings statt Baumwolle und Blaumann. Hombach strich die SPD des bescheidenen Herbert Wehner ersatzlos aus dem Programm - und erschuf einen Star für die neue Mitte.

Sozialdemokraten aber haben Probleme mit ihren Stars und noch mehr Probleme mit denen, die sie machen. In Deutschland ist das nicht anders als in England. Gemeinsam wollten Mandelson und Hombach die Regierungschefs Blair und Schröder zu den Vorstandsvorsitzenden der Europa AG machen. Doch beide haben die Feinde im eigenen Land erst respektiert, nachdem die Spin-Doctors zugeschlagen hatten. Zu spät. Beide hatten sich, bevor sie zu Hoffnungsträgern ihrer Chefs wurden, nach einem respektablen Heim umgesehen. Beide hatten Probleme mit der Finanzierung. Beide hatten Gönner, die ihnen halfen. Beide hatten Freunde, die sie verpfiffen. Mandelson ging im Dezember, Hombach im Juni. Beide traten zurück, um zu verhindern, dass ihren Schützlingen Schaden zustieß. Blair und Schröder sollten nicht unter den Jugendsünden ihrer Minister leiden.

Ein Abgang unter Tränen - der letzte Spin. Die Fürsten der Dunkelheit haben sich geopfert, und sie wurden geopfert. Wenn sich die SPD wirklich modernisieren sollte, ist das auch Hombachs Werk. Doch erst einmal wird der Bote bestraft - für die Überbringung einer Nachricht, von der man irgendwie weiß, dass sie im Grunde wahr ist.Mitarbeit: Martin Pütter (London), Jürgen Zurheide (Düsseldorf)

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