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Politik: Die Aktie Bush wird neu bewertet

Von Robert von Rimscha Was hat George W. Bush da gesagt?

Von Robert von Rimscha

Was hat George W. Bush da gesagt? Nein, nicht an der Wall Street, wo er Amerikas verunsicherte Anleger mehr mit einer Moralpredigt als mit einem Aktionsplan zu besänftigen versuchte. Eher beiläufig entschlüpfte dem US-Präsidenten die Einschätzung, in Sachen Bilanzbuchhaltung sei vieles „grau". Das ist – richtig. Nur kommt derlei verdammt schlecht an in einem Land, in dem jeder Zweite Aktien besitzt und kaum ein Tag vergeht, an dem sich nicht ein bislang renommierter Multi als Fälscherwerkstatt entpuppt. Weil diese US-Regierung aber aufs Engste mit Big Business verbandelt ist, stellt sich plötzlich die Frage: Werden die frisierten Bilanzen bei der Schlussabrechnung als dickes rotes Soll Bush selbst angekreidet?

Nun tobt auch in den USA ein Wahlkampf. Zunächst geht es, in diesem November, um den Kongress, dann, zwei Jahre später, um das Weiße Haus. Die Doppelschlacht hat begonnen. Und erstmals seit Beginn der zweiten Bush-Ära wittern die führungslosen Demokraten Morgenluft, weil sich Parallelen zur Situation von 1991 auftun. Damals regierte Vater Bush, der Saddam Hussein gerade aus Kuwait vertrieb. Doch in den USA war sein Nimbus rasch verblasst. Der Trick der Demokraten: Lasst ihm seinen Glorienschein als Golfkrieger, aber macht dem Land deutlich, dass es davon herzlich wenig hat. Die düstere Begleitmusik lieferte die Wirtschaftskrise. Es folgte die Abwahl nach nur einer Amtszeit. Ökonomisch läuft es auch heute alles andere als gut. So ist die Konstellation vergleichbar: Bush junior hat zur späten Berufung in die Außenpolitik gefunden, der Krieg gegen den Terror wurde seine Mission. Innen- und Wirtschaftspolitik aber vernachlässigt er.

Zu profitieren hoffen jene Demokraten, die sich nun warm laufen. Al Gore will es wohl wissen, Richard Gephardt, Fraktionschef im Repräsentantenhaus, anscheinend auch, auch John Kerry aus dem Senat. Gephardt war es, der dem Bush-Erfahrungssatz vom grauen Zwielicht der Bilanzen die energische Forderung nach Schwarz-Weiß entgegensetzte. Die Botschaft sitzt: Klar und verlässlich müssen Amerikas Unternehmen Rechenschaft ablegen, denn Vertrauen ist das wichtigste Kapital der Wirtschaft. Die Demokraten können trefflich argumentieren, staatsfeindliche Republikaner eröffneten den Unternehmen erst jene Freiräume, die sie eben auch für kriminelle Machenschaften nutzen. Noch schärfer wird diese Munition, weil Vizepräsident Cheney, Bushs Richelieu, bis 2000 die Firma Halliburton führte und Unregelmäßigkeiten dort zumindest vermutet werden. Politisch ist dies viel bedrohlicher als es Bushs eigene, lange zurückliegende und bereits mehrfach geprüfte Ölgeschäfte sind.

Dennoch sollten sich jene Europäer, die eine Abneigung gegen Bush empfinden, nicht zu früh freuen. Ja, es gibt in den USA wieder eine Innenpolitik und eine Opposition. Ja, sie hat wieder Themen und Chancen. Mehr aber nicht. Amerika sieht sich weiter im Krieg, und die Mehrheit ist sich sicher, dass sowohl neue Terroranschläge als auch neue Militäraktionen gegen die Täter kommen werden. Der Patriotismus eint das Land – die Demokraten wissen ganz genau, warum sie den Feldherrn Bush nicht angreifen. Eine zweite, separate Bühne ist eröffnet worden, auf der es um Alltag, Jobs und Geld geht. Was das Personal angeht, hat sich indes noch keine überzeugende Alternative zu Bush gezeigt. Ausgerechnet nochmals Al Gore – das rüttelt Amerika nicht gerade auf.

Dennoch sind Bushs Aktien gesunken. Aber eben nur von Schwindel erregender Höhe auf ein normales Maß. Nicht mehr, nicht weniger.

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