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Politik: Die Angst der Demokraten

Aktuelle Umfragen sehen die NPD nicht im Kieler Landtag. Doch auch in Sachsen hat man sie unterschätzt

Berlin – Der schleswig-holsteinische Abgeordnete Günter Neugebauer verfügt inzwischen über einige Erfahrung. 1979 zum ersten Mal ins Kieler Parlament gewählt, absolviert der SPD-Politiker aus Rendsburg dieser Tage seinen achten Landtagswahlkampf. Was der 56-Jährige beim Einsatz auf der Straße erlebt, lässt für den Wahlausgang allerdings nichts Gutes vermuten. „Das Ausmaß der Politikverdrossenheit erinnert mich an 1992“, sagt er. Damals zog die rechtsextreme DVU mit 6,3 Prozent der Stimmen in den Landtag ein.

Diesmal registriert Neugebauer wieder „eine große Protesthaltung gegen die Politik im Allgemeinen“ – und rechnet deshalb mit einem Erfolg der rechtsextremen NPD. „Man muss fürchten, dass die reinkommen“, sagt der Sozialdemokrat nach elftägigem Straßenwahlkampf. Etliche Bürger scheuten sich nicht mehr, offen mit der Wahl der Partei zu drohen. „Das kann man nicht ignorieren.“

Für die Spitzenleute von SPD, CDU und FDP spielt die NPD dagegen nur eine Nebenrolle – zumindest in ihren öffentlichen Äußerungen. Weder Ministerpräsidentin Heide Simonis noch ihr CDU-Herausforderer Peter-Harry Carstensen räumen ihr echte Chancen ein. Nach außen gilt die Devise: tiefer hängen. „Alle Wahlkämpfer sollten sich davor hüten, die NPD überzubewerten. Sie hat in Schleswig-Holstein keinen Stellenwert“, mahnt etwa FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen ist überzeugt: „Schleswig-Holstein wird beweisen, dass der Einzug der Rechtsextremen in Brandenburg und Sachsen singuläre Ereignisse waren.“

Die Wahlforscher sind sich da nicht so sicher. Zwar haben die Institute in ihren Umfragen für die NPD bisher lediglich Ergebnisse in Höhe von zwei bis drei Prozent ermittelt. Aber die Verlässlichkeit solcher Aussagen ist beschränkt, da sich Wähler rechtsextremer Parteien vor der Wahl vergleichsweise selten zu ihrem Abstimmverhalten bekennen. In Sachsen beispielsweise waren der NPD drei Wochen vor der Landtagswahl nur vier Prozent vorausgesagt worden – sie erreichte 9,2 Prozent.

Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner hält es vor dem Hintergrund von fünf Millionen Arbeitslosen denn auch „nicht für ausgeschlossen“, dass „Frust, Unsicherheit und Lebensängste“ von Protestwählern der NPD am 20. Februar über die Fünf-Prozent-Hürde helfen. Sein Konkurrent Manfred Güllner von Forsa will einen Sieg der Rechtsextremen ebenfalls nicht ausschließen, auch wenn seine Zahlen gegenwärtig nicht darauf hindeuten. So liegt die NPD laut aktueller Forsa-Umfrage im Auftrag von „Stern“ und „Lübecker Nachrichten“ bei drei Prozent. Weitere drei Prozent der Wähler könnten sich vorstellen, für die Rechtsextremen zu stimmen. Die SPD käme auf 40, die Union auf 37, Grüne und FDP auf je sieben Prozent. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) zöge mit drei Prozent der Stimmen erneut in den Landtag ein, da für die Partei der dänischen Minderheit die Fünf-Prozent-Hürde entfällt.

Für die Regierungsbildung in Kiel hätte ein NPD-Erfolg weitreichende Folgen: Er würde SPD und CDU wahrscheinlich in eine große Koalition zwingen. Für die CDU, die in den Umfragen klar hinter der SPD liegt, wäre das immerhin ein Teilerfolg. Ein Bündnis zwischen SPD, FDP und Grünen gilt wegen der inhaltlichen Differenzen zwischen Liberalen und Grünen als kaum praktikabel.

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