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Politik: Die Angst erreicht den Norden

Die irakische Stadt Erbil galt als ruhig. Jetzt wurde auch sie von einem Selbstmordanschlag erschüttert

Noch am Morgen war in der neuen irakischen Tageszeitung „Az-Zaman" die Ruhe und Stabilität in der nordirakischen Stadt Erbil gepriesen worden: Investoren wurde die Verwaltungshauptstadt der seit 1991 faktisch autonomen Region Kurdistan vorgestellt, in der kurdische Truppen erfolgreich für Ordnung sorgen. Arabische Touristen aus Mossul und Bagdad gaben an, in den nördlich von Erbil gelegenen Bergen Zuflucht vor der Sommerhitze, aber auch vor der Unsicherheit im Zentralirak gefunden zu haben. Doch am Dienstag um 21 Uhr 45 schreckte eine Bombenexplosion die Bewohner der Ein-Millionen-Stadt auf: In dem Wohnviertel Schorasch (Revolution) explodierte die Autobombe eines Selbstmordattentäters vor einer zweistöckigen Villa, in der nach Angaben der US-Regierung Mitarbeiter des Pentagon untergebracht waren.

Vor dem Haus ist ein etwa zwei Meter tiefer Krater zu sehen, die Vorderseite des Gebäudes wurde zerstört. Auch in den Nachbarhäusern stürzten Wände und Mauern ein. Dabei riss der Selbstmordattentäter nach den Angaben der US-Armee ein kleines Kind und eine ältere Frau mit in den Tod. Die Druckwelle der Detonation war noch Kilometer entfernt in der Stadtmitte zu spüren.

Der Ingenieur Sangar Hassan, der in einem der Nachbarhäuser im Schorasch-Viertel lebt, ist erbost: „Wieso bringen die Amerikaner ihre Leute in einem Wohnviertel unter?" Die Gerüchte gedeihen. Hassan ist überzeugt davon, dass es sich bei den Amerikanern, die seit etwa vier Monaten in dem Haus lebten, um CIA-Mitarbeiter handelt. „Ich habe öfter mit ihrem Anführer Mister Mike diskutiert. Doch wenn man das Haus betrat, wurden sofort alle Computer abgeschaltet, das ist doch merkwürdig", meint er.

Nach dem Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad waren die UN-Mitarbeiter aus Mossul in das 70 Kilometer entfernte Erbil evakuiert worden. Doch auch hier war die Furcht vor Anschlägen gewachsen. Aus Angst vor Autobomben durften um öffentliche Gebäude herum keine Wagen mehr geparkt werden. An den Zufahrtsstraßen wurden Straßensperren wiedererrichtet. „Nachdem der restliche Irak durch Anschläge destabilisiert wurde, haben wir natürlich Angst, dass Anhänger der Baath-Partei oder islamistische Terroristen zu uns in den Norden kommen, um hier auch Schrecken zu verbreiten", sagte die Projektleiterin der kurdischen Menschenrechtsorganisation, Nishtimam Asis, nur wenige Stunden vor dem Anschlag im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

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