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Politik: Die Chance verfliegt

Von Gerd Appenzeller

Zum Ende des alten, vor dem Beginn des neuen Jahres fasst man gute Vorsätze. Deshalb war es eine kluge Idee des Oberverwaltungsgerichts in Berlin, in Sachen Flughafen Tempelhof allen Beteiligten eine Denkpause bis zum 10. Januar zu verordnen. Bis dahin können die Kläger gegen die Schließung, 13 Unternehmen, und die Beklagten, also die Flughafengesellschaft und das Land Berlin, überlegen, ob sie einen Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen. Das regt an, Tempelhof erst 2008 und nicht schon 2007 zu schließen.

Die Denkpause könnte vor allem dazu dienen, Fakten und Visionen voneinander zu trennen. Eine solche Vision ist die Vorstellung, den Flughafen Tempelhof auch nach 2012, in welcher Form auch immer, als Start- und Landeplatz zu betreiben. Als das Leipziger Bundesverwaltungsgericht seine grundsätzliche Einwilligung zum Bau von Berlin-Brandenburg International in Schönefeld gab, nannte es als eine Grundvoraussetzung dafür die Schließung von Tegel und Tempelhof spätestens ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme von BBI. Die ist für 2011 vorgesehen. Wollte Berlin diesen Termin ins Ungefähre verschieben, müsste ein neuer Landesentwicklungsplan für Berlin und Brandenburg aufgestellt werden. Der jetzige wiederum war Basis des Urteils der Bundesverwaltungsrichter. Mit einer Änderung des Planungsrechts würde quasi die Geschäftsgrundlage geändert, es wäre ein Rosstäuschertrick, gegen den mit Sicherheit Betroffene Verfassungsbeschwerde einlegen würden. In Leipzig sehen lassen dürften sich die Berliner dann künftig auch nicht mehr.

Ernsthaft reden kann man also nur über die Zeit bis 2012. Rein sachlich gibt es wenig Argumente, Tempelhof nicht bis dahin als Flughafen zu belassen. Denkbare Investoren wie die amerikanische Lauder-Gruppe oder die Bahn würden ja die Gebäude nutzen, die in erster Linie das Tempelhofer Defizit verursachen. Ob sie tatsächlich zu einem finanziellen Engagement bei zeitlicher Limitierung des Flugverkehrs bereit wären, müssen Berlin und der Bund klären. Beide haben sich ja bisher an einer Nutzung der Bauten sträflich desinteressiert gezeigt. Und dann ist da noch das Bundesinnenministerium, das einen neuen Dienstsitz sucht – und keinen Flugverkehr braucht.

Der vom Gericht angebotene Kompromiss – Betrieb bis 2008 – gefällt der Lufthansa, die bis 2012 von Tegel fliegen darf, nicht aber dem Flugunternehmen Windrose, das nächstes Jahr nach Schönefeld umziehen müsste. Warum das so ist, liegt auf der Hand: Lufthansa, zusammen mit einem Partner, und Windrose, konkurrieren um zahlungskräftige Geschäftskunden – und Tegel als Basis nutzen zu können, brächte der Lufthansa für die nächsten Jahre einen massiven Standortvorteil. Es wäre überraschend, wenn das Oberverwaltungsgericht, sollte der Vergleich nicht von allen Beteiligten angenommen werden, in einem Urteil dieses Ungleichgewicht nicht berücksichtigen würde.

Wer nun versucht, die verschiedenen Zeichen zu beachten, und sachlich abzuwägen, muss zu dem Schluss kommen, dass ein Betrieb von Tempelhof bis 2012 die meisten Optionen bietet, nicht nur für die Nutzung der leer stehenden Räumlichkeiten. Denn ist der Flughafen erst einmal geschlossen, wird er von keinem Gericht mehr geöffnet. Und sollte es beim Bau von BBI in Schönefeld noch weitere juristische oder technische Probleme geben und die Terminplanung damit kippen, wird jeder dankbar sein, wenn es Tempelhof noch gibt.

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