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Politik: „Die deutscheDebatte ist entscheidend“

UN-Gesandte Herfkens über den Kampf um mehr Entwicklungshilfe

Die deutsche Regierung ist aktiver in Bezug auf die Millenniumsziele geworden, weil sie einen ständigen Sitz im UNSicherheitsrat will. Hilft das?

Das mag der Grund für einige Regierungsmitglieder sein, aber Heidemarie Wieczorek-Zeul war schon immer eine heldenhafte Anwältin der Millenniumsziele. Ich war selbst Entwicklungsministerin und weiß, wie schwer es ist, einen Finanzminister dazu zu bekommen, die eigenen Pläne zu finanzieren. Besonders wenn die Kampagne für die Millenniumsziele im eigenen Land noch nicht stark ist. Aber was den Sitz im Sicherheitsrat betrifft – natürlich würde das helfen. Generalsekretär Kofi Annan hat es als wichtigstes Kriterium bezeichnet, inwiefern reiche Länder dem Ziel entsprechen, mindestens 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Entwicklungshilfe zu stecken.

Wie genau verfolgt die internationale Gemeinschaft den Streit zwischen Finanzminister Eichel und Wieczorek-Zeul?

Sehr genau. Die deutsche Glaubwürdigkeit hängt davon ab. Ende Mai legt die EU ihre Position für den UN-Gipfel im September fest, und unter anderen die luxemburgische Präsidentschaft drängt darauf, dass bis 2010 jedes Land mindestens 0,5 Prozent zahlt und spätestens 2015 das Ziel von 0,7 Prozent erreicht. Eine deutsche Festlegung darauf ist entscheidend für die EU-Position im September. Die Europäer müssen dann die Führungsrolle übernehmen. Die Debatte heute in Deutschland ist also entscheidend für den Erfolg des UN-Gipfels in New York.

Bei der jetzigen Wirtschaftslage sind die Deutschen vielleicht schwer zu überzeugen, für Afrika mehr Steuern zu zahlen.

Wir reden hier über 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sie haben dann immer noch 99,3 Prozent. Außerdem gibt es keinen Zusammenhang zwischen hoher Arbeitslosigkeit und hoher Entwicklungshilfe. Ich glaube auch, dass die riesige Hilfsbereitschaft in Deutschland nach dem Tsunami ein enormer mentaler Durchbruch gewesen ist. Sie beweist, dass die Deutschen sehr großzügig sind, wenn sie um die Not anderer wissen. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jede Woche in Afrika so viele Kinder sterben wie durch den Tsunami. An Krankheiten, die so einfach zu verhindern wären. Es geht hier um Centbeträge für Impfungen oder sauberes Wasser.

Vielleicht fürchten die Menschen auch, dass ihr Geld in Afrika in ein Fass ohne Boden fällt?

Dabei gibt es bei den 48 Subsahara-Staaten echte Erfolgsgeschichten. Mindestens zehn der ärmsten Länder sind dabei, das zweite Ziel zu erreichen: Grundschulerziehung für alle Kinder. Gleiches gilt für Gleichberechtigung. Ruanda hat jetzt mehr weibliche Abgeordnete als die nordischen Länder. Uganda hat die Aidsepidemie in den Griff bekommen, Mosambik und andere werden Armut und Kindersterblichkeit drastisch reduzieren. Die internationale Gemeinschaft ist diesen Ländern gegenüber dafür großzügig mit Entwicklungshilfe und Schuldenerlass gewesen. Wenn also beide Seiten ihre Abmachungen für die Millenniumsziele einhalten, können wir sie erreichen.

Und wer ist verantwortlich dafür, wenn wir das nicht tun?

Wir, die entwickelten Länder. In der Vergangenheit sind die afrikanischen Regierungen ein riesiges Problem gewesen. Inzwischen hat die Mehrheit der Staaten gewählte Regierungen. Jetzt sagt sogar die Weltbank, dass im Verhältnis die Subsahara-Länder ihren Job gemacht haben.

Das Gespräch führten Ruth Ciesinger und Ulrike Scheffer.

Eveline Herfkens ,

frühere niederländische Entwicklungsministerin, leitet als UN-Sonderbotschafterin die Kampagne für die Millenniumsentwicklungsziele.

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