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Politik: Die diplomatischen Sanktion beflügeln in Österreich den Protest gegen Haider (Kommentar)

Vierzehn EU-Staaten haben die diplomatischen Beziehungen zu Österreich auf das Minimum beschränkt. Seitdem hagelt es Kritik: von rechts sowieso, aber auch von der anti-etatistischen Linken.

Vierzehn EU-Staaten haben die diplomatischen Beziehungen zu Österreich auf das Minimum beschränkt. Seitdem hagelt es Kritik: von rechts sowieso, aber auch von der anti-etatistischen Linken. Ein "Amoklauf der EU" sei das, sagt Edmund Stoiber.

Ähnliches meinen viele: Die EU-Aktion sei gefährlich, weil sie nur Haider nutze. Ein Fehlschlag, weil sie ja die Regierungsbeteiligung der FPÖ nicht verhindert habe. Ein Eigentor, weil Österreich nun die EU lahmlegen werde. Bleibt da anderes als der geordnete Rückzug?

Dafür gibt es keinen Grund. Auch nicht dafür, sich Haider vorsorglich harmlos zu reden, weil man eh nichts ändern kann. Die Initiative der 14 EU-Staaten war kein Fehler - im Gegenteil: In Wien gehen täglich Tausende gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung auf die Straße. Und das ist ungewöhnlich in Wien. Wer jetzt gegen die FPÖ demonstriert, hat ganz Europa hinter sich. Wer für die schwarz-blaue Regierung eintritt, muss sich mit dem Argument auseinandersetzen, dass er riskiert, Österreich in die Isolation zu treiben. Die Heimatfront, die sich gegen das Ausland zusammenschließt, ist einstweilen Haiders Wunschvorstellung.

In Wien steht stattdessen eine Politisierung der Öffentlichkeit auf der Tagesordnung, die gerade dem korporatistischen Österreich gut tun wird. Politik war bisher etwas, das von SPÖ und ÖVP verwaltet wurde, von den Staatsparteien. Gerade von dieser Erstarrung hat Haider profitiert. Gut möglich, dass sich dies nun ändert: Haider als Vehikel für eine Wiederbelebung der politischen Zivilgesellschaft - das wäre eine gelungene dialektische Pointe.

Auch das realpolitische Risiko der Aktion ist überschaubar. Der diplomatische Boykott mag viele Österreicher schmerzen - wirklich schaden wird er dem Land kaum. Und umgekehrt wird Österreich die EU nicht lahmlegen - gerade jetzt nicht, wo die ganze Welt zuschaut. Deshalb wird die ÖVP-FPÖ-Regierung erzwungenermaßen kreuzbrav sein, manchmal in der EU mit einem Veto drohen, aber faktisch nichts Schlimmes anstellen.

Das führt auch zur Antwort auf ein zentrales Argument der Gegner dieser Aktion: Ihr fehle, nach Niklas Luhmann, jene "Legitimität durch Verfahren", die demokratische Prozesse auszeichne. Die EU dürfe Österreich gar nicht sanktionieren. Das stimmt, allerdings nur halb. Österreich hat nicht gegen EU-Recht verstoßen - aber dies ist auch keine Sanktion im EU-Rahmen, sondern von 14 souveränen Staaten, die ihre Beziehung zu Österreich gestalten können, wie sie wollen. Die EU-Staaten haben gezeigt, dass sie politisch unberechenbare Rechtspopulisten wie Haider nicht wortlos akzeptieren. Sie haben dagegen ein Symbol gesetzt. In den EU-Institutionen ist Österreich weiter vertreten, sogar bei den informellen Ministertreffen. Und das ist richtig, denn die EU-Staaten müssen auch symbolische Strafen vorsichtig dosieren. Sie müssen stets klar machen, dass es nicht um Schikane geht. Schon gar nicht gegen das Wahlvolk.

Deshalb sollten die 14 EU-Staaten umgekehrt jetzt auch alle Verbindungen jenseits offizieller Diplomatie verstärken - gerade jetzt. Das heißt: mehr und nicht weniger wissenschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche Kontakte. Französische Intellektuelle haben gefordert, dass man Österreich "künstlerisch und intellektuell isolieren muss". Das ist falsch, ist eine autoritäre Geste, die ein ganzes Land wegen eines Fehlers der ÖVP in Kollektivhaft nimmt. Österreich ist ein demokratisches Land, kein Paria. Der Protest muss Haider gelten, nicht der Gesellschaft.

Stefan Reinecke

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