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Politik: Die Diskussion über rot-gelb in Düsseldorf schwappt nach Berlin - Grüne betrachten das mit Grausen

Sechs Stimmen hat Nordrhein-Westfalen im Bundesrat und zählt damit zu den vier Großen in der Länderkammer. Schon deshalb sähen es die regierenden Sozialdemokraten in Berlin lieber, wenn das größte Bundesland auch nach der Wahl am kommenden Sonntag so bliebe, wie es jetzt ist: rot-grün.

Sechs Stimmen hat Nordrhein-Westfalen im Bundesrat und zählt damit zu den vier Großen in der Länderkammer. Schon deshalb sähen es die regierenden Sozialdemokraten in Berlin lieber, wenn das größte Bundesland auch nach der Wahl am kommenden Sonntag so bliebe, wie es jetzt ist: rot-grün. Denn die Serie von Wahlniederlagen im ersten Regierungsjahr hat Gerhard Schröders Koalition nicht nur schwere atmosphärische Probleme gebracht, sondern auch ein handfestes machtpolitisches: Sie hat keine Mehrheit mehr im Bundesrat und ist damit wie die alte Koalition von Helmut Kohl in den wichtigen Fragen auf Kompromisse mit den Ländern angewiesen.

Das heißt zugleich: auf Kompromisse mit der Opposition im Bundestag. Bei der Steuerreform, die in der nächsten Woche im Bundestag verabschiedet wird, werden die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen. Und weil beim Geld auch unabhängig von der parteipolitischen Zugehörigkeit die Interessen von Bund und Ländern oft auseinanderstreben, muss die Bundes-SPD an kalkulierbaren Verhältnissen im Bundesrat interessiert sein. Mit der SPD-PDS-Regierung in Mecklenburg-Vorpommern und der rot-gelben Kolition in Rheinland-Pfalz ist der SPD-geführte Block im Bundesrat ohnehin kompliziert.

Doch vor allem hat das Geplänkel um rot-gelbe Koalitionen, das aus Düsseldorf nach Berlin geschwappt ist, eine politische Dimension. Es ist zwar ganz unwahrscheinlich, dass künftig das Land an Rhein und Ruhr rot-gelb regiert wird. Aber die Diskussion um diese Option ist mit diesem Landtagswahlkampf eröffnet worden - auch für die Parteispitzen in Berlin.

Recht einfach ist die Lage bei CDU und FDP. Für die CDU ist die Vorstellung, die FDP könnte wirklich ihren Weg aus der "babylonische Gefangenschaft" der Dauerkoalition mit der Union finden, alarmierend. Denn sie stünde vor der Gefahr der koalitionspolitischen Isolierung: nicht mit den Grünen, nicht mit der PDS, nicht mit der FDP - da bliebe nur noch die Option der großen Koalitionen. Aber die macht allein der Wähler. Für die FDP gilt umgekehrt, dass sie von dieser Debatte nur profitieren kann: Fast gewänne sie ihre alte Funktion als "Zünglein an der Waage" zwischen den beiden großen Volksparteien zurück. Dass die Grünen diese Diskussion nur mit Grausen betrachten, liegt auf der Hand. Jedenfalls beinah: in Nordrhein-Westfalen selbst haben ihnen die Gerüchte über Wolfgang Clements Wechsel-Absichten genützt. Beiden, Clement und Möllemann seien geheime Absprachen zuzutrauen, hat die grüne Spitzenkanidatin Bärbel Höhn den grünen Wählern gesagt - und sie damit wirksam mobilisiert.

Für die Bundes-SPD ist die nordrhein-westfälische Koalitionsdiskussion Gefahr und Verlockung zugleich. Erkennbare rot-gelbe Neigungen wären eine Destabilisierung von Rot-grün im Bund.

Franz Müntefering, SPD-Landeschef in Nordrhein-Westfalen und Generalsekretär in Berlin, hat sich deshalb für die Fortsetzung der betstehenden Düsseldorfer Koalition stark gemacht. Für die Grünen gäbe es nur noch wenig Grund, sich dem qualvollen Realitätszwang der Koalitionsraison zu unterwerfen. Die Unsicherheit darüber, was der kleine Koalitonspartner mitmacht und was nicht, würde folglich wachsen.

Doch auf längere Sicht hat es für die SPD Reiz, koalitionpolitisch nach zwei Seiten agieren zu können. Es sollte eigentlich normal sein, dass eine Volkspartei mit allen demokratischen Parteien koalieren kann, sagen deshalb auch führende Genossen in Berlin. Doch das ist Zukunftsmusik.

Was die Berliner Akteuere am Wahlsonntag sagen werden, steht ziemlich fest: Das Regierungslager wird sich in seiner Politik bestätigt sehen und die CDU-Spitze in der Erkennntnis, dass der Erneuerungsprozess erst ganz am Anfang steht.

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