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Politik: Die Drohungen von Feind Nummer zwei

Der von den USA weltweit gesuchte Al-Tawhid-Chef Zarqawi hat sich erstmals per Tonband gemeldet – nach bin Ladens Vorbild

Von Frank Jansen

Das Indiz ist gerade noch rechtzeitig aufgetaucht: Im zweiten Prozess gegen mutmaßliche Al-Tawhid-Terroristen, der an diesem Dienstag beginnt, kann das Oberlandesgericht Düsseldorf womöglich ein bislang einmaliges Tondokument als Beweismittel nutzen. Nach Informationen des Tagesspiegels hat der Militärchef der mit Al Qaida verbündeten Al-Tawhid-Bewegung, der weltweit gesuchte Jordanier Abu Mussab al Zarqawi, erstmals eine Audiokassette mit einer eigenen Ansprache in Umlauf gebracht. In Sicherheitskreisen heißt es, die 65 Minuten lange Brandrede gegen Israel, die USA, die arabischen Regierungen und den zu wenig kämpferischen islamischen Klerus sei „mit großer Wahrscheinlichkeit authentisch“. Die Sprache klingt wie bei Osama bin Laden: „Oh Allah, zerreiße das Königreich von Bush wie du das Königreich von Cäsar zerrissen hast“, sagt Zarqawi. Und er bittet seinen Gott, die vom Glauben abgefallenen arabischen Herrscher zu beseitigen: „Oh Allah, töte sie einen nach dem anderen, verschone niemanden“.

Das Tonband hat die Sicherheitsbehörden elektrisiert. Die US-Behörden haben auf Zarqawis Kopf fünf Millionen Dollar ausgesetzt und ihn jetzt in der neuen Fahndungsliste der meistgesuchten Feinde im Irak auf Platz zwei gesetzt. Außerdem berichtet die „New York Times“, den Amerikanern sei im Irak ein vermutlich von Zarqawi stammendes Strategiepapier zur Vertreibung der Besatzungsmächte in die Hände gefallen. Zarqawi gilt als Drahtzieher mehrerer Anschläge im Irak und in Jordanien – und als Führungsfigur im islamistischen Terrornetz, die den Rang eines zweiten Osama bin Laden anstrebt. Von diesem Anspruch zeugt die Kassette auch, denn bislang haben sich fast nur der Al-Qaida-Chef und sein Stellvertreter mit Videos und Audiokassetten zu Wort gemeldet. Und es fällt auf, dass Zarqawi wie ein Prediger aus dem Koran zitiert. Offenkundig beansprucht der Terrorstratege jetzt auch geistliche Autorität.

Generalbundesanwalt Kay Nehm ermittelt gegen den Mann wegen des Verdachts der „Rädelsführerschaft“ in einer terroristischen Vereinigung. Zarqawi steckte, da sind sich die Ermittler sicher, hinter den Anschlagsplänen der im April 2002 im Ruhrgebiet ausgehobenen Al-Tawhid-Zelle. Ein Mitglied, der Jordanier Shadi A., packte aus: In Berlin sollten im Jüdischen Museum oder am Gebäude der jüdischen Gemeinde in der Fasanenstraße Handgranaten gezündet werden. In Düsseldorf hatte die Zelle zwei von Juden besuchte Lokale im Visier.

Das Düsseldorfer Gericht verurteilte A. im November zu vier Jahren Haft. Von heute an wird gegen die Jordanier Mohammed Abu D. und Ismail Abdallah Sbaitan S., den staatenlosen Palästinenser Aschraf Mohammed al D. und den Algerier Djamel M. verhandelt. Das Gericht hält die vier für so gefährlich, dass der Prozess im neuen, 32 Millionen Euro teuren Hochsicherheitstrakt stattfindet.

Ob sich Zarqawi auf dem Tonband zu den Anschlagsplänen in Deutschland äußert, ist noch unklar. Das Bundeskriminalamt sagt aus ermittlungstaktischen Gründen nur, das vorliegende Material werde untersucht. In Sicherheitskreisen heißt es, das Tonband könnte in der zweiten Jahreshälfte 2003 aufgenommen worden sein und zirkuliere jetzt in militant-islamistischen Milieus. Erste Hinweise auf die Kassette gab es auf der Homepage des von früheren israelischen Geheimdienstlern betriebenen „Middle East Media Research Institute“ sowie durch Recherchen des Tagesspiegels und der englischen Zeitung „The Observer“. Wo Zarqawi das Band besprochen hat, ist ebenfalls unbekannt. Sicherheitsexperten vermuten den Terroristenführer im Irak, wo er zumindest im August 2003 den schweren Anschlag auf die jordanische Botschaft in Bagdad dirigiert haben soll. Bei der Explosion starben 17 Menschen.

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