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Maltesischer Polizist trägt gerettetes Flüchtlingskind

© AFP

Die EU und ihre Grenzen: „Wegschauen, aussitzen, sterben lassen“

Vor fünf Monaten kamen 360 Flüchtlinge vor Italien ums Leben. Menschenrechtler meinen: Die EU-Grenzpolitik ist unverändert grausam.

Exakt fünf Monate nach der Katastrophe vor Lampedusa haben die EU-Innen- und -Justizminister sich am Montag erneut mit der gemeinsamen Grenzbefestigung und Vorkehrungen zur Rettung von Flüchtlingen beschäftigt. Ergebnis: Lob für das Erreichte und die Einladung an alle Beteiligten, so fortzufahren.

Vor der sizilianischen Insel Lampedusa kamen am 3. Oktober 2013 mindestens 360 Menschen ums Leben, die meisten Flüchtlinge aus Eritrea. In Reaktion darauf hatte die EU-Kommission eine Task-Force-Gruppe Mittelmeer eingesetzt, deren Ergebnisse Innenkommissarin Cecilia Malmström im Dezember präsentierte: mehr Einsatz gegen Menschenschmuggel, mehr Grenzüberwachung durch die EU-Mitgliedsstaaten, aber auch mehr Wege, damit Menschen von außerhalb der EU legal nach Europa kommen können.

Europäische Menschenrechtsorganisationen äußerten sich schon damals kritisch. Mehr Grenzüberwachung werde nur dann Menschenleben retten helfen, erklärten seinerzeit Human Rights Watch und der Jesuitenflüchtlingsdienst, wenn es „klare und bindende Richtlinen“ darüber gebe, wer im Notfall für gefährdete Boote zuständig sei. Es gab immer wieder starke Hinweise darauf, dass Flüchtlinge in der Vergangenheit durchaus im Fokus von Fischern, der Marine einzelner EU-Staaten oder auch der Küstenwachen waren, die aber nicht oder nur minimal eingriffen.

Den Fall einer Gruppe von afrikanischen Flüchtlingen, die Libyen nach dem Nato-Angriff gegen Gaddafi 2011 verlassen mussten, hatte ein Jahr später sogar die Parlamentarische Versammlung des Europarats minutiös dokumentiert und festgestellt, dass sowohl die italienische Küstenwache wie auch mehrere Militärschiffe und ein Kutter die Lage beobachtet, aber nicht eingegriffen hatten. Auf dem Boot, das nach gut zwei Wochen zurück an die libysche Küste getrieben wurde, überlebten nur 15 der ursprünglich 72 Menschen.

Hat Lampedusa die Politik der EU verändert? Karl Kopp, Europareferent von „Pro Asyl“, antwortet mit einem klaren Nein. Es habe punktuell Verbesserungen gegeben, die Aktion „Mare Nostrum“, die die damalige italienische Regierung Letta ausrief, habe Italiens Seenotrettung verbessert. Nun stehe die weitere Finanzierung des Programms infrage. Auch Griechenland habe öfter Leben gerettet, seit der brutale Tod von Flüchtlingen in der Ägäis skandalisiert wurde. Aber es brauche schon viel öffentlichen Druck, damit sich auch nur zeitweise etwas tue. Kopp verweist auf Malta, wo eine knappe Woche nach Lampedusa weitere 260 Menschen starben, darunter 100 Kinder, weil sich die Küstenwachen der Insel und Italiens nicht einigten. „Wegschauen, aussitzen, sterben lassen ist weiterhin die Maxime der EU-Grenzpolitik.“

Das sei nicht die Schuld Brüssels, meint Kopp, es seien die EU-Staaten, die keine Bereitschaft zeigten, Verantwortung für das Massensterben an den EU-Außengrenzen zu übernehmen. Auch was die Task Force Mittelmeer wolle, widerspreche dieser Politik nicht. Dazu gebe es „ein paar humanitäre Girlanden“, mehr nicht.

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