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Politik: Die EU will erstmals sparen

Cameron und Merkel setzen sich beim Finanzgipfel durch / Zustimmung des Parlaments ungewiss.

Unter dem Eindruck der Schuldenkrise haben Großbritannien und Deutschland der Europäischen Union (EU) ein Sparbudget verordnet. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich am Freitag in Brüssel auf eine neue Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020, die erstmals überhaupt geringer ausfällt als im vorangegangenen Zeitraum. „Die Mühe hat sich gelohnt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte im Vorfeld stets gefordert, die Ausgaben müssten auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt werden. Mit einer Gesamtsumme von 960 Milliarden Euro für sieben Jahre erreichte die deutsche Regierungschefin dieses Ziel genau. „Die Ergebnisse lassen manchmal auf sich warten“, sagte Merkel nach einer nur von kleineren Pausen unterbrochenen Marathonsitzung von 26 Stunden, „aber die Europäische Union ist in der Lage, Ergebnisse zu produzieren“.

Die meisten Teilnehmer des Gipfels äußerten sich zufrieden. „Die britische Öffentlichkeit kann stolz sein, dass wir das Kreditkartenlimit der EU erstmals überhaupt reduziert haben“, sagte Premier David Cameron. Er hatte sich zuvor heftige Diskussionen mit Frankreichs Staatschef Francois Hollande geliefert. Der gab am Ende jedoch nach, da er die Direktbeihilfen für seine Landwirte absichern konnte. „Der Etat liegt nicht so hoch, wie das der Fall hätte sein sollen“, räumte Hollande ein, „aber es ist das bestmögliche Budget“. Er signalisierte zudem, dass „wir bei den eigentlichen Zahlungen die schwierigsten Diskussionen hatten“. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte nach Abschluss des Gipfels am Freitag in Brüssel, der Etat trage zugleich dem Sparzwang der Mitgliedstaaten und dringend notwendigen Wachstumsimpulsen Rechnung.

Die Summe, die die Staaten überweisen müssen, liegt mit 908,4 Milliarden Euro deutlich niedriger als die Finanzzusagen von 960 Milliarden Euro, die die EU machen kann. Angesichts dessen verzichtet auch Deutschland künftig auf Rückflüsse aus Brüssel, wie Merkel ankündigte. Dies sei „ein Angebot an das Europaparlament“, gegen das man sich „lange gesperrt“ habe. Die vier größten Fraktionen des Europaparlaments erklärten umgehend, sie akzeptierten den Budgetvorschlag nicht. Parlamentsvertreter, unter anderem dessen Präsident Martin Schulz (SPD), drohten weiter mit einer Blockade des „Defizithaushalts“. Die Volksvertretung in Straßburg ist in dieser Frage erstmals gleichberechtigter Gesetzgeber.

Merkel verteidigte den gekürzten Etat zudem gegen Kritik, er biete keine Konjunkturimpulse. Es gebe eine „Ausrichtung auf Wachstum“ mit vier Milliarden Euro zusätzlich für die Forschung und einer Verdoppelung der Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur. Sie hob zudem einen neuen Fonds zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hervor, der mit sechs Milliarden Euro ausgestattet wird.

Aus der EU-Kommission, die einen viel höheren Geldbedarf errechnet hatte, gab es verschiedene Reaktionen. Ihr Präsident José Manuel Barroso sagte, das Budget könne „trotzdem ein wichtiger Katalysator für mehr Wachstum und Arbeitsplätze sein“. Sein Haushaltskommissar Janusz Lewandowski aus Polen kritisierte dagegen die Kürzung durch die Mitgliedstaaten, die „der EU gleichzeitig immer mehr Aufgaben übertragen“.

Deutschland wird – wie andere Nettozahlerländer – in den kommenden Jahren höhere Beiträge an die Staatengemeinschaft zahlen. Nach Worten Merkels steigt der deutsche Nettobeitrag auf 0,37 von 0,35 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Das liegt an der stärkeren Wirtschaftskraft Deutschlands, nach der sich die Beiträge bemessen, und dem geringeren Förderbedarf Ostdeutschlands. mit dpa

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