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Politik: „Die EU wird der Türkei ein Datum nennen“

Der Reformer Cem über den Beginn von Beitrittsverhandlungen

Herr Cem, Bundeskanzler Schröder leistet Ihnen Wahlhilfe, indem er Sie kurzfristig nach Berlin eingeladen hat. Damit signalisiert er Ihren Landsleuten, dass er Sie für einen ernst zu nehmenden Kandidaten für die Wahl im November hält. Werden Sie im Gegenzug den türkischstämmigen Deutschen empfehlen, bei der Bundestagswahl für Schröder zu stimmen?

Es steht mir nicht zu, solche Empfehlungen auszusprechen. Ich kann nur sagen, dass sich Bundeskanzler Schröder immer sehr für die Belange der Türkei eingesetzt hat. Er ist unser wichtigster Fürsprecher in der EU und unterstützt unseren Wunsch, der Union beizutreten.

Fürchten Sie, dass sich das türkisch-deutsche Verhältnis unter einem Kanzler Edmund Stoiber verschlechtern könnte? Stoiber ist ja gegen einen EU-Beitritt der Türkei.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind längst so eng, dass ein politischer Wechsel keinen großen Einfluss auf das Verhältnis unserer Länder haben wird. Die Türkei ist schließlich auch wirtschaftlich ein sehr wichtiger Partner für Deutschland. Jahr für Jahr verbringen allein drei Millionen Deutsche ihren Urlaub bei uns. Nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft hat deshalb ein großes Interesse daran, dass wir in die EU aufgenommen werden.

Ähnlich wie Schröders Sozialdemokraten sieht sich auch Ihre „Neue Türkei“ mit schlechten Umfragewerten konfrontiert. Klar vorn liegen die gemäßigten Islamisten des früheren Istanbuler Bürgermeisters Tayyip Erdogan.

Ich würde die Umfragen nicht überbewerten. Letztlich werden bei einer Wahl Persönlichkeiten und keine Parteien gewählt. Da ist noch nichts entschieden. Aus den Umfragen in der Türkei wird außerdem deutlich, dass sich die Menschen von den alten Parteien abwenden und etwas Neues wollen. Und wir gehören zu diesen neuen Kräften.

Könnten Sie sich eine Koalition mit der Erdogan-Partei, die ja ebenfalls zu den neuen Kräften gehört, vorstellen?

Das kann ich noch nicht sagen. Warten wir die Wahlen ab.

Gleich nach der Wahl wird sich die Aufmerksamkeit in ihrem Land auf den EU-Gipfel in Kopenhagen richten. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem Treffen?

Die EU-Staaten haben uns bisher stets fair behandelt. Ich gehe davon aus, dass dies auch in Kopenhagen der Fall sein wird. Deshalb rechne ich damit, dass man uns dort ein konkretes Datum für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nennen wird. Nur, wenn uns die EU einen festen Termin nennt, können wir die von uns beschlossenen Reformen schnell realisieren – und wenn wir eine neue Regierung bekommen. Meine Partei wird sich für eine rasche Umsetzung einsetzen.

Das Gespräch führte Ulrike Scheffer

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