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Politik: Die Flut der Formulare

Neuer Anlauf der Regierung zum Bürokratieabbau

Berlin - Was immer die bundesdeutschen Regierungen geschaffen haben – nie verlief es ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Bürokratie, scheint es, existiert losgelöst von politischen Ränken und soll – nach den erfolgfreien Kommissionen der 70er Jahre, einer Anhörung 1980 und den Kommissionen der Kohl- Regierung – nun auch durch Kanzler Schröders Reformen abgebaut werden. Und obwohl manche der Sachverständigen, die am Montag im Innenausschuss vortrugen, sich schon über 15 Jahre damit befassen, wirkte es, als befänden sie sich noch ganz am Anfang der Diskussion.

„Normen begründen Freiheit“, stellt Hans Peter Bull von der Universität Hamburg zuerst einmal klar, „und Verwaltungsvorschriften erleichtern Arbeitsabläufe“. Da ist er ganz bei Max Weber. Alte Gesetze zu entrümpeln sei eigentlich gar nicht nötig, sie würden ohnehin nicht mehr angewendet. Ihre Abschaffung befriedige allein ein ästhetisches Bedürfnis von Juristen und sei ohne reellen Wert.

Und die Privatisierungen? Was den einen als Möglichkeit erscheint, den Staat zu befreien, habe in der Praxis oft das Gegenteil bewirkt, sagt Rechtsanwalt Ortlieb Fliedner; nach Einführung des privaten Rundfunks zum Beispiel hielt man 15 neue Landesmediengesetze und mehrere Rundfunkstaatsverträge für nötig. Die Union möchte nun zwei neue Gremien, sieben neue Verfahrensvorschriften und eine neue Berichtspflicht für den Abbau der Bürokratie einsetzen.

Aber was bitte, fragt Werner Jann von der Universität Potsdam, ist die Ursache der ganzen Bürokratie? Warum etwa gibt es unverständliche Ausnahmen von der Mineralölsteuer? Weil sich in der Lobbyistenrepublik gut organisierte Interessengruppen in den Gesetzen zu verwirklichen wissen. Und ihre Deregulierung verhindern. Wirklich notwendig seien deshalb Machtanalysen für die Politik. Und vielleicht muss diese Erkenntnis gründlicher beunruhigen als die daraus resultierende Flut der Formulare.

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