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Politik: „Die Föderalismusreform gefährdet unsere Zukunft“

Ex-Bildungsministerin Bulmahn (SPD): Geplante Verfassungsänderung würde zu wirtschaftlichem Abstieg Deutschlands führen

Ist die Föderalismusreform in der gegenwärtigen Form in der SPD mehrheitsfähig?

Eine Föderalismusreform ist durchaus sinnvoll, aber wir müssen in einigen Punkten zu besseren Vorschlägen kommen. Unser Ziel ist eine Reform, die die Grundlagen dafür bietet, dass die Menschen in unserem Lande eine bessere Lebensperspektive haben. In der gegenwärtigen Fassung wird die Föderalismusreform den Herausforderungen der nächsten 30, 40 Jahre vor allem in der Bildung nicht gerecht, sondern gefährdet Deutschlands Zukunft.

Was sind das für Herausforderungen?

Wenn Deutschland angesichts des dramatischen Rückgangs der Geburtenraten international konkurrenzfähig bleiben will, müssen wir unsere Bildungsreserven voll ausschöpfen. Deshalb muss die frühkindliche Bildung deutlich verbessert werden, ebenso die schulische Bildung und die Hochschulausbildung sowie die berufliche Bildung. Wir müssen auch die Zahl der Studienplätze stark erhöhen.

Und all das würde durch die bisherigen Pläne verhindert?

Wir haben 16 Länder in Deutschland mit einer sehr unterschiedlichen Wirtschaftskraft und sehr unterschiedlichen Entwicklungsperspektiven. Die finanzschwächeren Länder schaffen es nicht aus eigner Kraft, in Zukunft mindestens 40 Prozent eines Jahrgangs an den Hochschulen qualitativ gut auszubilden und gleichzeitig alle anderen Bereiche kräftig zu verbessern. Weil Deutschland sonst aber wirtschaftlich völlig abrutschen wird, muss der Bund den Ländern im Bildungsbereich auch weiterhin finanzielle Hilfen geben dürfen. Im Grunde geht es um die Kernfrage, ob man am Ziel gleicher Lebensverhältnisse in allen Ländern festhält oder den Weg frei macht für einen Wettbewerbsföderalismus, bei dem etliche auf der Strecke bleiben werden.

Für die CDU ist das Verbot von Bundeshilfen aber ein Knackpunkt. Wie wollen Sie den Koalitionspartner überzeugen?

Auch CDU-regierte Länder haben das Ganztagsschulprogramm des Bundes genutzt, viele Städte und Gemeinden waren und sind damit sehr froh.

Hessens Ministerpräsident Koch ist der Wortführer derer, die Bundeshilfen verbieten wollen. Schon die Initiativen in Ihrer Amtszeit seien verfassungswidrig gewesen.

Das ist falsch. Nach der noch geltenden Fassung hat der Bund ausdrücklich die Möglichkeit, für bestimmte Aufgaben Finanzhilfen an die Länder zu geben. Deshalb war eben bisher ein Ganztagsschulprogramm verfassungskonform, ja sogar im Rahmen der Verfassung erwünscht. Im Rahmen der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern konnte der Bund auch zum Ausbau von Studienplätzen beitragen. Wir haben den Ausbau von Fachhochschulen mitfinanziert, Programme für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Juniorprofessur an Unis und die Internationalisierung der Studiengänge durchgeführt. Wir müssen verhindern, dass dies in Zukunft verboten ist.

Die Union, aber auch Teile Ihrer Partei warnen davor, das Föderalismus-Paket aufzuschnüren, weil dies die gesamte Reform gefährden würde.

Ich glaube nicht, dass die Union diese Haltung auf Dauer aufrechterhalten kann. Solche Situation hat es häufiger in der Vergangenheit gegeben: bei der Exzellenzinitiative für die deutschen Universitäten, beim Ganztagsschulprogramm. Nach anfänglichem Widerstand vor allem aus den unionsregierten Ländern sind beide Initiativen schließlich breit unterstützt worden. Es kann nicht angehen, dass der Bund in Zukunft nur noch die Schwächen und Defizite in der Bildungspolitik feststellen, aber nicht mehr reagieren darf. Ansonsten kommt es zu der perversen Situation, dass selbst wenn alle 16 Ländern es wollten, der Bund zum Beispiel kein Hochschulsonderprogramm zum Ausbau der Kapazitäten an den Hochschulen mehr durchführen kann.

Ihre Nachfolgerin Annette Schavan will den vorübergehenden Anstieg der Studentenzahlen ab 2010 mit einem Hochschulpakt auffangen, also die Hochschulforschung fördern, damit Freiräume für neue Studienplätze entstehen. Ein guter Vorschlag?

Forschungsförderung ersetzt nicht die Anstrengungen in der Lehre. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl forschungsstarker Universitäten, aber mehr als dreihundert deutsche Hochschulen, die schon jetzt Probleme haben, ausreichend Studienplätze zur Verfügung zu stellen.

Das Gespräch führten Amory Burchard und Stephan Haselberger.

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