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Politik: Die Frage nach dem Vertrauen - Schäuble und die Fraktion

Es geht um den Vorsitzenden. Darum ist er nicht da.

Von Robert Birnbaum

Es geht um den Vorsitzenden. Darum ist er nicht da. Wolfgang Thierse hat sein vorläufiges Urteil verkündet über die finanzielle Zukunft der Christlich Demokratischen Union Deutschlands. Aber nicht der Vorsitzende kommentiert - die Generalsekretärin tritt auf und der Schatzmeister. Der Vorsitzende ist zu sehr mit seiner eigenen Zukunft beschäftigt. Im Schatten der großen Pressekonferenzen nimmt ein Drama seinen Lauf. Wolfgang Schäuble oder Brigitte Baumeister, der Vorsitzende oder die Ex-Schatzmeisterin - einer von beiden hat Recht. Und nur einer von beiden kann bleiben.

Dienstagnachmittag, Viertel nach Drei. Seit einer Viertelstunde soll die CDU / CSU- Fraktion tagen. Aber sie tagt nicht. Hinter verschlossenen Türen sitzt seit mehr als einer Stunde der Fraktionsvorstand. "Fraktionssitzung verschoben auf 16 Uhr", verkündet ein Mitarbeiter. Abgeordnete kommen, gehen, blicken ratlos. "Wir wählen uns jetzt einen amtierenden Fraktionsvorsitzenden", sagt einer zu einem Kollegen. Das ist als Scherz gemeint. Aber ein paar Reihen weiter sitzt ein anderer, der schüttelt bedenklich den Kopf. "Ich würde nicht darauf wetten, dass wir morgen noch einen Fraktionschef namens Schäuble haben."

"Ein Irrsinn", sagt ein, sagen viele Christdemokraten. Der Partei- und Fraktionschef hat eine eidesstattliche Erklärung darüber abgegeben, wann und wie er im Herbst 1994 eine 100 000-Mark-Spende von dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber bekommen hat. Die damalige Schatzmeisterin hat ebenfalls eine eidesstattliche Erklärung über den Vorgang abgegeben. Beide Erklärungen passen nicht zueinander. Es geht um Glaubwürdigkeit. Es geht um den Vorsitzenden.

Am Montag hat das CDU-Präsidium sich mit dem Fall befasst. Die Präsiden waren sich einig: Wir wollen Schäuble glauben. "Wirr" sei Baumeisters Darstellung, urteilt hinterher Kurt Biedenkopf. Wäre es nach Schäuble gegangen, wäre der Fall damit vorerst erledigt gewesen. Am Dienstag sollte die Fraktion tagen und über so entscheidende Dinge wie die künstlerische Gestaltung des Lichthofs Nord im Reichstag beraten. Aber so ging es nicht. Am späten Montagnachmittag taucht Michael Glos bei der Parlamentarischen Geschäftsführerin Baumeister in der Wilhelmstraße auf. Der CSU-Landesgruppenchef will eine Frage klären: Ob Baumeister bereit sei, ihr Fraktionsamt ruhen zu lassen?

Für diese Woche - ja, war die Antwort. Aber bis zur Klärung der Sache? Womöglich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag? Nein! Das wäre ein Schuldeingeständnis. Nur dazu hat Glos Baumeister bewegen können: am Montagabend nicht zur Sitzung des Fraktionsvorstands zu gehen. Da ist es recht heftig hergegangen. Indirekt hat Schäuble die Vertrauensfrage gestellt: "Entweder ihr traut mir jetzt, oder ihr wählt euch einen Neuen", hat er gesagt. Nötig gewesen wäre die Vertrauensfrage wohl nicht. Auch die Fraktionsspitze will Schäuble glauben: Abwählen, die Frau! Der Beschluss wird vertagt.

Am Dienstagfrüh tagt der Ehrenrat der Fraktion. Rita Süssmuth, Heinz Riesenhuber, Carl-Dieter Spranger geben eine Empfehlung ab: Brigitte Baumeister soll ihr Amt ruhen lassen. Aber Baumeister will nicht. Nicht so, nicht jetzt. Also noch einmal der Fraktionsvorstand. Mal mit Schäuble, mal ohne ihn - es geht um den Vorsitzenden, darum kann er nicht vorsitzen. Mal mit Baumeister, mal ohne sie. Zwischendurch kommt sie in den Fraktionssaal. Ein starres Gesicht, manchmal ein gequältes Lächeln. Sie will hinterher in der Sitzung reden, das hat sie angekündigt.

Am Ende ein einstimmiger Beschluss der Fraktionsspitze: Die Fraktion soll ein Abwahlverfahren gegen Baumeister einleiten. Aber das reicht nicht. Die mächtige Landesgruppe Nordrhein-Westfalen verweigert Schäuble die Gefolgschaft. "Die Lage ist so, dass es so nicht mehr weitergeht", hat der Fraktionschef darum zu Beginn der Fraktionssitzung gesagt. In der nächsten Woche wird sich die gesamte Fraktionsspitze zur Wiederwahl stellen. Es geht um den Vorsitzenden. Ende offen.

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