zum Hauptinhalt

Politik: Die Fußstapfen von Bruder Johannes

Zum 30. Jahrestag von Raus Amtsantritt inszeniert sich Rüttgers als Erbe – um an SPD-Wähler zu kommen

Die Planer in der Düsseldorfer Staatskanzlei haben nichts dem Zufall überlassen. Seit Monaten arbeiten sie auf den 20. September hin. An diesem Tag will Ministerpräsident Jürgen Rüttgers an den Amtsantritt seines Vorgängers Johannes Rau erinnern, der am 20. September 1978 seine lange Regentschaft im größten Bundesland begann.

Der Christdemokrat wird natürlich mit keinem Wort die scharfe Kritik wiederholen, die seine Partei in all den Jahren an dem Sozialdemokraten geübt hat; Rüttgers will sich das Erbe des noch immer populären Bruder Johannes sichern. „Wir müssen uns um die Johannes-Rau- Wähler kümmern“, hat Rüttgers seiner CDU auf dem Landesparteitag kürzlich zugerufen. Der Satz war mit Hintersinn gewählt: Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sein Stab in der Staatskanzlei schon an einem Regieplan, in dem detailliert festgelegt ist, wie man den Sozialdemokraten ihr einstiges Zugpferd politisch auszuspannen beabsichtigt.

In etlichen internen Papieren, die dem Tagesspiegel vorliegen, ist verabredet, wie Rüttgers seine Sicht der Dinge mit der größtmöglichen Wirkung unters Volk bringen kann. Eine TV-Ansprache im WDR wird verworfen, stattdessen haben sich die Planer für eine andere Variante entschieden und lassen nicht den geringsten Zweifel an dessen Erfolg erkennen: Am 30. Jahrestag von Raus Amtsantritts soll ein Namensartikel von Rüttgers in der Essener „WAZ“ erscheinen. Damit sich dort niemand querstellt, will man das Werk zunächst diskret von Geschäftsführer Bodo Hombach – einem eingeschriebenen Sozialdemokraten – redigieren lassen. Danach, so das schriftlich nachzulesende Kalkül, werde sich „WAZ“-Chefredakteur Ulrich Reitz nicht mehr weigern können, Rüttgers’ Lob für Rau auch abzudrucken. Rüttgers hat diesem Vorschlag mit roter Tinte freudig zugestimmt.

Hombach spielt in den Überlegungen von Rüttgers ohnehin eine große Rolle. Der einstige Wahlkampfmanager von Rau, der mit seinem politischen Ziehvater dessen Credo „Versöhnen statt spalten“ unters Volk brachte, wird von Rüttgers gleich mehrfach für seine politischen Ziele eingespannt. Hombach arbeitet in der Zukunftskommission des Ministerpräsidenten mit, die unter Vorsitz von Lord Dahrendorf über die Perspektiven Nordrhein-Westfalens nachdenken soll. Bei der öffentlichen Vorstellung war viel von der Unabhängigkeit der Mitglieder die Rede; auf der eigenen Internetseite wird Rüttgers deutlicher, was er von dem hochrangigen Kreis erwartet: Die Landesregierung will die Empfehlungen schon im Vorwahljahr 2009 für ihre Regierungsarbeit berücksichtigen und auf diese Weise ihre Ausgangslage für die Wahl 2010 verbessern. Dabei wird wiederum Rau eine wichtige Rolle spielen.

Vergessen sind die Zeiten, in denen Norbert Blüm dem Widersacher zurief „Johannes, komm raus aus deinem Schlafwagen!“ oder die Landes-CDU den Amtsantritt des Bundespräsidenten Rau so erschwerte, dass der Wuppertaler kurz vor dem Aufgeben stand. Rüttgers wird den 20.September zum Anlass nehmen, ein „Johannes-Rau-Gespräch“ anzukündigen, das künftig einmal pro Jahr in Berlin stattfinden soll. Dabei hilft ihm ein anderer Vertrauter des verstorbenen Bundespräsidenten, dessen früherer Amtschef Rüdiger Frohn. Auch ihm werden in den Papieren Aufgaben zugewiesen; zum Beispiel soll er sich um das Einverständnis der Witwe Christina Rau kümmern.

In Düsseldorf finden die Rau-Anleihen von Rüttgers ein geteiltes Echo. Während in der CDU die Freude überwiegt, den Sozialdemokraten den populären Frontmann entwendet zu haben, scheinen die Genossen eher sprachlos. „Wir kommentieren das nicht“, war alles, was ihnen einfiel, als „Focus“ kürzlich erstmals über die Pläne berichtete. Damit kaschieren die Sozialdemokraten nur mühsam ihre offene Flanke: Weder Landes- noch Bundespartei haben bisher irgendeine Initiative zum Gedenken an Rau ergriffen. Jetzt ist es offenbar zu spät.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false