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Das Holocaust-Denkmal in Bologna. Es wurde am 27. Januar 2016 eingeweiht. In der Nähe von Bologna verübte die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg Massaker an der Zivilbevölkerung. Ein in Italien verurteilter Kriegsverbrecher wurde derweil in Deutschland geehrt.

© dpa

Die Gemeinde Engelsbrand ehrt einen Kriegsverbrecher: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Wilhelm Kusterer wurde 2008 in Italien in Abwesenheit als Kriegsverbrecher verurteilt. 2015 bekam er die Ehrenmedaille seiner Gemeinde Engelsbrand.

Exakt ein Jahr lang hat es niemand bemerkt; jetzt ist der Sturm hereingebrochen. Anfang März 2015 bekam der Bürger Wilhelm Kusterer, damals 93 Jahre alt, für vielfältige soziale Verdienste die Ehrenmedaille seiner Heimatgemeinde Engelsbrand (Enzkreis/Baden-Württemberg). Und jetzt, am Wochenende, bekam Bürgermeister Bastian Rosenau die E-Mail eines Italieners: Ob sie denn wirklich wüssten, wen sie da geehrt hätten?

Seither kann sich Rosenau vor Protest und Anfragen aus Deutschland und Italien nicht mehr retten. Denn der sozial verdiente Wilhelm Kusterer war ein Kriegsverbrecher. Als solchen jedenfalls hat ihn die italienische Justiz im Sommer 2008 letztinstanzlich zu lebenslanger Haft verurteilt – in Abwesenheit. Aber wie das so ist: Kein deutscher Nazi-Verbrecher wird ausgeliefert; der Ruhestand des Wilhelm Kusterer war nie ernsthaft gefährdet.

Im Herbst 1944 hat der 22-jährige Unteroffizier in der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer-SS“ den italienischen Richtern zufolge mitgewirkt an der massenhaften Ermordung von Zivilisten in der Gegend von Bologna, in Marzabotto. Auf der „Partisanenjagd“ wurden fast 1000 Menschen abgeschlachtet.

Niemand will etwas gewusst haben

Von all dem, sagt Bürgermeister Rosenau, hätten weder er, noch sein immerhin 32 Jahre amtierender Vorgänger irgendetwas gewusst. 22 Jahre lang, von 1975 bis 1997, saß Kusterer für die SPD im Gemeinderat von Engelsbrand. Er war sehr aktiv in den Dorfvereinen, und er hat Schwarzwaldbücher geschrieben. So kannten ihn praktisch alle.

„Aber nie hat uns eine Behörde, auch keine italienische, über seine Person informiert, nicht einmal über die Verurteilung“, sagt Rosenau, dem die Sache jetzt „sehr leid tut“, wie er sagt. „Es ist Schreckliches passiert, und wir wollten wirklich niemandem zu nahe treten.“

Mit Kusterer selber hat Bürgermeister Rosenau „angesichts dessen angeschlagener Gesundheit“ noch nicht gesprochen. Aber die Gemeinde will jetzt alle Akten anfordern, sie übersetzen lassen und bei der Staatsanwaltschaft nachfragen.

Die Opferverbände in Marzabotto und italienische Politiker haben bereits an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, die Ehrung zurückziehen zu lassen.

Für Rosenau ist dies allerdings Sache des Gemeinderats: „Nachdem wir alles geprüft haben, wird er der Entscheidungsträger sein.“

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