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Politik: Die Gewalt kehrt zurück

Das libanesische Dorf Kana war schon einmal Schauplatz eines verheerenden israelischen Bombardements

In Kana steht schon ein Denkmal. Fotos, die unter die Haut gehen, dokumentieren ein israelisches Massaker. Am Sonntag haben sich diese Szenen aus dem Jahre 1996 wiederholt, als ob der gleiche Film nochmals abgespult worden wäre. Israelische Kampfjets bombardierten in der Nacht das Dorf im Süden des Libanon und trafen ein mehrstöckiges Haus, in dem Flüchtlingsfamilien Zuflucht gesucht hatten. Mehr als 50 Tote, darunter viele Frauen und Kinder, meldeten die libanesischen Medien. Ganze Familien wurden ausgelöscht. Ihre Leichen wurden in die Hafenstadt Tyrus gebracht.

Die weitere Intensivierung der israelischen Bombardements kam nicht überraschend. Einerseits hat die israelische Armee bei ihrer Bodenoffensive hohe Verluste erlitten und deshalb die Luftangriffe wieder verstärkt, zum andern muss ihre Führung damit rechen, dass in wenigen Tagen auch Washington die bedingungslose Unterstützung der Angriffe gegen den Zedernstaat zurückzieht.

Die israelische Regierung verweist darauf, man habe die Bevölkerung der Region in Flugblättern aufgefordert, das Kampfgebiet zu verlassen. Die Flugblätter flatterten tatsächlich vom Himmel, seit Tagen reißen aber auch die Bombardierungen nicht ab und Flüchtlinge, die sich dennoch auf den Weg gemacht haben, erzählen grauenhafte Geschichten. Oft bleiben nur lange Fußmärsche. Transportmittel sind entweder nicht verfügbar oder wegen des hohen Risikos unbezahlbar. Viele haben die Aufforderung mit dem Tod oder schweren Verwundungen bezahlt. Hilfsorganisationen haben keinen Zugang zu vielen Dörfern, um Leichen und Verwundete zu bergen, oder den Eingeschlossenen lebenswichtige Medikamente und Nahrungsmittel zu bringen.

Mit der Begründung, Raketenabschussrampen der Hisbollah unschädlich machen zu wollen, hatte die israelische Armee im Rahmen ihrer Operation „Grapes of Wrath“ auch im April 1996 eine UN-Basis bombardiert und 116 der Flüchtlinge getötet, die bei den Blauhelmen Unterschlupf gesucht hatten. Fünf Tage nach dem ersten Massaker von Kana wurde ein Waffenstillstand ausgerufen, beide Seiten verpflichteten sich damals, keine zivilen Ziele mehr anzugreifen und keine Raketen aus Dörfern abzuschießen.

Nach dem neuerlichen Blutvergießen in diesem Dorf riefen der libanesische Regierungschef Siniora und die gesamte Staatsspitze in seltener Einmütigkeit zu einem bedingungslosen Waffenstillstand auf. Der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice gab er zu verstehen, dass sie in Beirut nicht willkommen sei, solange kein Waffenstillstand in Aussicht ist. Zudem verlangte Siniora eine internationale Untersuchung der „israelischen Kriegsverbrechen“. Die Hisbollah kündigte an, dass das Massaker von Kana nicht ohne Antwort bleiben werde.

Nur Stunden, nachdem die Nachricht aus Kana publik wurde, strömten vor dem UN-Gebäude in Beiruts Stadtmitte etwa 2000 aufgebrachte, vorwiegend junge Demonstranten zusammen. Sie brachten ihre Wut nicht nur mit Reden und brennenden UN- und USA-Fahnen zum Ausdruck, einige Dutzend verschafften sich auch Zugang zum Gebäude und verwüsteten mehrere Büros. Schiitische Geistliche, Abgeordnete der Hisbollah und Sicherheitskräfte konnten die Lage schließlich beruhigen und die Ausschreitungen stoppen.

Kana war im Libanon bisher schon ein Symbol für Widerstand. Der aktuelle Angriff dürfte die Reihen der Libanesen nach 19 Kriegstagen mit 750 Toten, mehr als 2000 Verletzten und 800 000 Vertriebenen noch enger schließen. Eine am Samstag veröffentlichte Meinungsumfrage des Beiruter Zentrums für Forschung und Information hat ergeben, dass 87 Prozent der Befragten, die Reaktion der Hisbollah auf die israelischen Angriffe unterstützen.

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