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Politik: Die Gewerkschaften sind empört: Aufforderung zu Lohnverzicht zurückgewiesen

MAINZ/BONN . Mit Empörung und auch beißenden Kommentaren haben die Gewerkschaften den Vorstoß des Mainzer Ministerpräsidenten Beck (SPD) zurückgewiesen, die Arbeitnehmer sollten wie die Rentner in den kommenden zwei Jahre auf reale Lohnzuwächse verzichten.

MAINZ/BONN . Mit Empörung und auch beißenden Kommentaren haben die Gewerkschaften den Vorstoß des Mainzer Ministerpräsidenten Beck (SPD) zurückgewiesen, die Arbeitnehmer sollten wie die Rentner in den kommenden zwei Jahre auf reale Lohnzuwächse verzichten. Die Bundesregierung hielt sich mit Kommentaren zurück. Das Arbeitsministerium beschränkte sich auf den Hinweis, für Minister Riester sei diese Frage einzig eine der Tarifparteien. Die Kontroverse zwischen führenden Sozialdemokraten und den Gewerkschaften entspricht im Kern dem Disput zwischen einem Kreis "Junger Sozialdemokraten" und der "alten SPD": 13 Abgeordnete haben in einem Positionspapier einen "Ideenwettbewerb über Reformen in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen" gefordert.Beck begründete seinen Paukenschlag in einem Gespräch mit "Bild am Sonntag" mit den Worten, "der Lebensstandard bei uns ist doch so gut, daß wir uns diese Kraftanstrengung erlauben können". Beck schlug den Arbeitnehmern vor, sich in den Jahren 2000 und 2001 "im gesellschaftlichen Konsens" mit dem Inflationsausgleich zu begnügen, der bei 0,7 und 1,6 Prozent liegen würde. Der SPD-Politiker betonte: "Niemand sinkt ab in seinem Lebensstandard, aber wir satteln auch nicht drauf". Das, was dadurch zusätzlich erarbeitet werde, könne zur Stabilisierung der Sozialsysteme und zur Stabilisierung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft genutzt werden. Beck setzt auf die Zustimmung der Gewerkschaften. Er habe Anlaß zu der Annahme, "daß im Bündnis für Arbeit eine solche Begrenzung zustandekommen kann".Als einen "blöden Vorschlag" charakterisierte dagegen der DGB-Vorsitzende Schulte umgehend Becks Vorschlag. Er warnte vor solchen Einmischungsversuchen der Politik in die Tarifautonomie und unterstrich, es sei ein mühsames Geschäft gewesen, "die Tarifpolitik dahin zu bringen, wo sie gegenwärtig ist - in die Beratungen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände. Und damit auch in das Bündnis für Arbeit".Auch die IG Metall hält Becks Vorstoß für "Unfug". Gewerkschaftssprecher Barcyinski sagte der Deutschen Presse-Agentur, das sei das Ergebnis, "wenn Leute über Dinge reden, von denen sie nichts verstehen. Beck ist wirklich ahnungslos". Auch ÖTV-Sprecherin Leisinger übte scharfe Kritik. Sie unterstrich: "Tarifergebnisse werden am Verhandlungstisch entschieden". Nach Einschätzung der Gewerkschaften ist Beck einem groben Mißverständnis angesichts der Ergebnisse der jüngsten Gesprächsrunde des Bündnisses für Arbeit anheimgefallen: Dort würden zwar "grundsätzliche Orientierungen" für künftige Lohnpolitik angestrebt. Dabei könne es aber keineswegs um Tarifpolitik gehen. Dagegen hatten die Arbeitgeberverbände erklärt, mit den im Bündnis getroffenen Vereinbarungen sei "die Tarifpolitik als zentrales Bündnisthema enttabuisiert".In der gesamten Debatte um die Senkung der Arbeitskosten und damit der Arbeitslosenzahlen stieß der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Müller (parteilos) zur Reform der Arbeitslosenversicherung auf den Widerspruch von Riester und auch der Arbeitgeberverbände. Müller hatte vorgeschlagen, zur Senkung der Lohnnebenkosten sollte der Unternehmensanteil an der Versicherung entfallen. Werde ein Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen, sollte ihm das Unternehmen stattdessen den Lohn für einen gewissen Zeitraum weiterzahlen. Riester nannte den Vorschlag nicht durchsetzungsfähig.

KLAUS J. SCHWEHN

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