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Politik: Die Grenze soll weg

Griechen und Türken auf Zypern beginnen heute Verhandlungen, um die Teilung ihrer Insel schnell zu überwinden

Stacheldraht, Wachtürme und Warnschilder: Auf der Mittelmeerinsel Zypern und in ihrer Hauptstadt Nikosia erinnert vieles an die Mauer in Berlin und die deutsche Teilung vor 1990. Auf einer Seite der Grenze herrschen Wohlstand und europäische Regeln, auf der anderen Armut und Sehnsucht nach Zugehörigkeit zu Europa. Griechen und Türken auf Zypern beginnen an diesem Donnerstag mit Verhandlungen über eine Wiedervereinigung. Und die soll noch schneller vonstatten gehen als seinerzeit in Deutschland, als zwischen Mauerfall und staatlicher Einheit immerhin fast ein Jahr verging: Die Zyprer wollen es in zwei Monaten schaffen.

Während sich die Unterhändler über Landkarten beugen und Grenzziehungen diskutieren, werden sich EU-Experten Gedanken darüber machen, wie der türkisch besiedelte Norden nach der Vereinigung an Europa herangeführt werden soll. Auch hier gleicht Zypern dem Deutschland der Jahre 1989 und 1990: Ostdeutschland bekam mehrere Jahre Zeit, um als EU-Neuling das mehrere tausend Seiten starke Regelwerk der Union zu übernehmen. Das soll Nordzypern jetzt auch so handhaben dürfen.

Fachleute aus Brüssel wollen deshalb an diesem Donnerstag mit Erweiterungskommissar Günter Verheugen nach Zypern reisen, um bei den Verhandlungen von Anfang an darauf zu achten, dass die Ergebnisse mit Gesetzen und Vorschriften der EU zumindest ungefähr übereinstimmen. Bei einer Einigung und der Aufnahme eines vereinten Zyperns in die EU am 1. Mai wird Türkisch zudem als Sprache des zyprischen Nordteils eine der offiziellen EU-Sprachen werden.

Geld aus Brüssel soll es dafür auch geben. Rund 250 Millionen Euro will die EU in den nächsten zwei Jahren in das türkisch besiedelte Gebiet Zyperns pumpen, um einer der ärmsten Regionen in ganz Europa auf die Beine zu helfen. Wie in der früheren DDR wird zudem mit einem Investitionsboom der reichen Vettern aus dem griechischen Teil des lange geteilten Landes gerechnet. Insbesondere der Tourismus in Nordzypern dürfte profitieren, wenn sich der griechisch-zyprische Präsident Tassos Papadopoulos und der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Rauf Denktasch einigen.

Die Chancen dafür sind besser als je zuvor seit der Teilung von 1974. Beide Seiten haben den UN die Macht gegeben, strittige Fragen alleine zu klären, wenn es bis Ende März keine Verständigung auf den von UN-Generalsekretär Kofi Annan skizzierten Bundesstaat nach Schweizer Muster gibt. Bei Volksabstimmungen in den zwei Sektoren am 21. April soll dann die Gründung des neuen zyprischen Staates besiegelt werden.

Vor dem Start der Verhandlungen gab es noch beträchtliches Misstrauen auf beiden Seiten. Papadopoulos sagte, es komme vor allem auf die Frage an, ob die türkische Seite ihre bei der Grundsatzeinigung der vergangenen Woche gezeigte konstruktive Haltung auch in den inhaltlichen Gesprächen an den Tag lege. Denktasch sprach am Mittwoch von der Gefahr eines neuen Bürgerkrieges auf Zypern, wenn in dem neuen Staat keine wirksamen Vorkehrungen zum Schutz der türkischen Minderheit getroffen würden.

Besonders schwierig dürften die Verhandlungen über die Rückkehr griechischer Flüchtlinge ins türkische Gebiet werden. Bei anderen Fragen wird es weniger schwer sein, eine Lösung zu finden. So braucht der neue Staat auf Zypern eine neue Fahne und eine neue Hymne – dafür gibt es nach einem eigens dafür ausgeschriebenen Wettbewerb der Vereinten Nationen schon über zweitausend Vorschläge.

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