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Politik: Die Grenze zum Frieden

„PLAN B“ FÜR NAHOST

Von Clemens Wergin

Wenige Friedenspläne für den Nahen Osten sind mit so vielen Hoffnungen beladen gewesen wie die „Road Map“, die vor knapp zwei Wochen am Golf von Akaba vereinbart wurde. Und wenige drohten so schnell zu scheitern wie der von USPräsident Bush forcierte Friedensfahrplan.

60 Palästinenser und Israelis starben gewaltsam seit den Feierlichkeiten am Roten Meer. Es kommt einem vor, als bestimme ein verhängnisvoller Autopilot das Geschehen in Nahost, der seit zweieinhalb Jahren auf Selbstzerstörung programmiert ist. Und den keiner stoppen kann. Am wenigsten der neue palästinensische Premier Mahmud Abbas. Der muss mitansehen, wie sich ihm Hamas, Islamischer Dschihad und Jassir Arafats Al-Aqsa-Brigaden widersetzen und Ariel Scharon seine Waffenstillstandsverhandlungen torpediert. Währenddessen drängt bei den Palästinensern Arafat selbst wieder auf die Bühne, ruft den „Nationalen Sicherheitsrat“ ein und demonstriert, wer wirklich das Sagen hat in Palästina. Hört das denn nie auf?

Der Friedensfahrplan, das immerhin, dient beiden Seiten weiter zur Orientierung. Israelis und Palästinenser sind sich im Kern einig, dass Israel den Norden des Gazastreifens verlassen wird, um palästinensischen Sicherheitskräften das Kommando zu übergeben. Sicherheitschef Mohamed Dahlan kann damit rechnen, dass sich die Terror-Gruppen zumindest in diesen Gebieten nicht gegen die Autonomiebehörde stellen. Wenn der Waffenstillstand hält, wird Israel die Tötung von Top-Terroristen einstellen. Die Palästinenser sollen aber erst einmal beweisen, dass sie für Ruhe und Ordnung sorgen können. Verantwortung auf Probe.

Doch im Nahen Osten sollte man niemals nur auf eine Karte setzen. Und so existiert neben der Road Map ein „Plan B“, den keine Seite so richtig gut findet, der aber gerade deswegen Erfolg haben könnte: Der schon begonnene Bau eines Sicherheitszauns zwischen Israel und den besetzten Gebieten wird vollendet. Der Vorteil: Anders als die vielen folgenlosen Worte würde diese Hochsicherheitsgrenze spürbare Auswirkungen auf beide Gesellschaften haben.

Scharon hat dem Baubeginn des Zaunes vor Monaten nur unter großem öffentlichen Druck zugestimmt. Er hat ein Politikerleben damit zugebracht, Israels international anerkannte Staatsgrenze, die „grüne Linie“, zu verwischen, um die Palästinensergebiete schleichend zu annektieren. Jetzt entsteht mehr oder weniger auf dieser Linie ein Grenzzaun, der auch politische Bedeutung hat: Er markiert, was nach einem Kompromiss mit den Palästinensern israelisch sein könnte und was nicht.

Mit dieser Grenze werden die jenseits davon liegenden Siedlungen entlarvt als das, was sie sind: Eine kostspielige Bürde, für deren Sicherheit Israel jedes Jahr hunderte Millionen von Dollar ausgibt und viele Menschenleben opfert. Wenn der Zaun Sicherheit schafft innerhalb Israels, dann wird die israelische Gesellschaft immer weniger bereit sein, die Siedler jenseits des Zauns zu subventionieren und mit der eigenen Jugend zu schützen.

Aber auch auf palästinensischer Seite wird der Zaun das Leben und damit die Wahrnehmung des Konflikts verändern. Schließlich verhält sich die Gesellschaft schizophren: Einerseits befürworten ein großer Teil der Palästinenser den bewaffneten Terror-Kampf gegen die Israelis. Andererseits versuchen die meisten, Arbeitsgenehmigungen für Israel zu bekommen, um vom Geld der Feinde ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine unüberwindbare Grenze würde die Möglichkeiten der Terroristen stark einschränken, in israelischen Städten zu bomben und die politische Agenda zu diktieren. Das würde den Führern beider Seiten mehr politischen Spielraum ermöglichen. Und eine weitgehend auf sich selbst zurückgeworfene palästinensische Gesellschaft müsste sich endlich Rechenschaft darüber ablegen, was ihr der Terror gebracht hat. Und ob sie als Nation überhaupt überlebensfähig ist ohne den Wirtschaftsmotor Israel.

Es gibt also auch ein Leben in Nahost jenseits der Road Map. Wenn der Plan scheitert, hilft nur noch eine möglichst weitgehende Trennung beider Völker. Damit der Autopilot in den Köpfen endlich umprogrammiert werden kann.

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