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Politik: Die Grenzen des Verbots

Von Richard Schröder

Die NPD will am 8. Mai durchs Brandenburger Tor marschieren und gegen den "Schuldkult" protestieren. Ich finde es sehr erfreulich, dass das die deutsche Öffentlichkeit in helle Aufregung versetzt. Es beweist, dass uns unser Ruf als Deutsche nicht egal ist. Weniger gut finde ich, dass uns gegen das Treiben der Neonazis immer nur Verbote einfallen. Prinz Harry hat auf einer Party eine Hakenkreuzbinde getragen. Prompt kommt aus Deutschland die Forderung, Nazisymbole europaweit zu verbieten, obwohl Prinz Harry von Presse, Volk und Vater nach Strich und Faden Maß genommen wurde. Zwei NPDAbgeordnete, Apfel und Gansel (beide übrigens aus dem Westen zugereist), hatten im Sächsischen Landtag den alliierten Bomber-Angriff auf Dresden als "Bomben-Holocaust" bezeichnet. Prompt wurden strafrechtliche Konsequenzen gefordert, obwohl die Immunität das älteste Abgeordnetenrecht ist. Und nun soll für den 8. Mai ganz schnell das Versammlungsrecht geändert werden. Das ist mir zu etatistisch gedacht - und auch zu viel der Ehre für die NPD.

Die NPD ist mit 5000 Mitgliedern (1966 waren es 25.000 und 2000 noch 6.500) keine Gefahr für die deutsche Demokratie. Sondern die Bilder von ihren Demonstrationen sind eine Gefahr für unseren Ruf. Wie wäre es denn, wenn wir ihre Demonstration zum Spießrutenlauf machen, indem wir sie auf beiden Seiten der Straße fröhlich und gelassen mit Trillerpfeifen begrüßen? Das mögen sie gar nicht, denn sie rechnen auf Zustimmung. Die Leipziger haben es schließlich auch geschafft, ohne Gesetzesänderungen, aber pfiffig und mit Zivilcourage den Neonazis die Lust auf Demos zum Völkerschlachtdenkmal zu versalzen.

Am schlimmsten aber wäre es, wenn sich die Demokraten der NPD wegen zerstreiten. Dann wäre sie der lachende Dritte. Die Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf hat gegen die Stimmen von SPD, PDS und Grünen erklärt, der 8. Mai stehe neben der Befreiung vom Naziregime "auch für den Schrecken und das Leid der Bevölkerung, die die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat." Für eine Erklärung zum 8. Mai musste ein Konsens gesucht, da durfte nichts durchgepeitscht werden. Der anklagende Tonfall ("zu verantworten hat") ist auch nicht in Ordnung. Den Vorwurf des Vorsitzenden der Berliner Jüdischen Gemeinde, in diesem Beschluss werde die Ermordung von Millionen NS-Opfern mit den deutschen Opfern bei der Niederringung des NS-Staates gleichgesetzt, kann ich aber nicht nachvollziehen. Ebenso wenig kann ich akzeptieren, dass jener Beschluss die Argumentation der NPD übernehme. Am 8. Mai denke ich auch an meinen Onkel Richard, der fiel, als er Verwundete barg. Sein Tod war ebenso wenig eine verdiente Strafe wie das Schicksal der Vertriebenen und Vergewaltigten. Es darf keine geächteten Opfer geben. Sonst spielen wir der NPD in die Hände. Antigone hat gegen das Verbot einen Staatsfeind betrauert und begraben, weil er ihr Bruder war.

Der Autor ist Professor für Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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