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Am Anfang stand die Krise der Griechen, die viele, viele Euro Hilfe brauchen. Foto: dpa

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Politik: Die große Koalition der Deutschland-Retter

Petitionen, Hilferufe, Mahnungen: Eindrücke von einer überhitzten Diskussion

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Kaum zu glauben. Auch Norbert Röttgen (CDU) ein Euro-Rebell gegen seine Kanzlerin? Zumindest, wer die Internetseite Abgeordneten-Check anklickt, muss das vermuten. Dort nämlich zählt der Bundesumweltminister zu den „Unentschiedenen“, wenn es darum geht, die Euro-Rettungsschirme im Bundestag abzulehnen. „Stoppt die EU-Schuldenunion“ ruft Angeordneten-Check die Bürger auf und lässt sie automatisierte „Protest-Petitionen“ an die Bundestagsabgeordneten versenden. Sage und schreibe 180 000 dieser Mails wurden bereits verschickt, mancher hat schon 2000 dieser Protestbriefe erhalten. Und zwar immer mit der dringenden Bitte um Rückantwort. Eindeutiges Ergebnis der Website: Die Mehrheit des Bundestages will den Griechen keinen Euro mehr hinterher werfen und schon gar nicht weitere Rettungschirme für Italiener und Spanier aufstellen.

Die Initiatoren des Euro-Bürgerprotestes: Ein Berliner Verein namens „Zivile Koalition für Deutschland“: Dessen Vorsitzende, Beatrix von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg, zog bis vor kurzem noch für die Rückgabe von Ländereien und Schlössern zwischen Sachsen und Neubrandenburg zufelde, die den meist adligen Besitzern von der Sowjetunion 1945 bis 1949 „unrechtmäßig entrissen“ wurden. Nun, da die Zahl der Unterstützer im Kampf gegen die Russen abgenommen hat, setzt die Fürstin zum Kampf gegen neue Ungerechtigkeiten an: Die Verschleuderung des guten deutschen Geldes an Griechen, Italiener, Portugiesen und Franzosen.

Mittwochabend im eleganten Hotel „Schweizer Hof“, im Publikum ein paar Hundert um das deutsche Vaterland besorgte Bürger: Ältere Herren mit gut sitzenden Tweedjacken zur Kordhose, die Damen in Bogner und Perlenkette. „Wir sind eine Initiative mit bürgerlichen Zielen, die für ein europäisches Europa eintreten“, beteuert Frau von Storch. Auch wenn so mancher junge Besucher dieses Abends eher den Eindruck erweckt, seine Sorge gelte weniger der Zukunft Europas als der der deutschen Nation. Schließlich, analysiert Frau von Storch, bedrohe „die organisierte Verantwortungslosigkeit“ in Europa „unseren Wohlstand“. Dazu wird ein Film eingespielt, der den Eindruck erweckt, für den dauerhaften europäischen Rettungsschirm ESM müssten die deutschen Steuerzahler allein 700 Milliarden Euro nach Brüssel bezahlen. Frau von Storch bittet die Gäste beim Herausgehen, „großzügig“ von den Überweisungsträgern Gebrauch zu machen. Man benötige die Spenden, um die gemeinsame Sache voranzutreiben.

Eindeutig zu den Helden der gemeinsamen Sache und auch dieses Abends gehören Hans-Olaf Henkel, Ex-Konzernmanager und Ex-BDI-Chef und Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter der FDP und „Initiator eines Mitgliederentscheids zum Stopp der Schuldenunion“, wie er unter lautem Beifall angekündigt wird. Auch CDU-Euro-Rebell Klaus-Peter Willsch wollte sich an diesem Mittwoch eigentlich von den anwesenden Gleichgesinnten feiern lassen. Doch er musste kurzfristig absagen. So blieb die Bühne frei an diesem Abend für den FDP-Politiker Schäffler und Hans-Olaf Henkel, der sich zunächst einmal energisch als „Europäer“ bekannte und jede „Unterstellung“, er verbreite antieuropäische Thesen, verbat. Der dann aber rasch zu der Konklusion gelangte, dass, „wie eigentlich jeder sehen kann“, die Versuche der Bundeskanzlerin, Europa mit immer mehr Geld aus deutschen Steuertaschen zu retten, ins Lehre laufen. Die Griechen nicht mehr zu retten und die Portugiesen längst auch auf dem Weg nach unten seien. Und die Italiener erst: „Die Einschläge“, hat Henkel beobachtet, „kommen immer näher.“ Weshalb es höchste Zeit sei, Deutschland zu retten. Zunächst vor dem Einfluss des Fremden, weshalb „es das beste wäre, wenn Deutschland aus dem Euro geht und den Franzosen den Rest überlässt“. Und dann auch noch vor den Integrationsplänen der eigenen Bundesregierung. Applaus für Henkel, der nicht einverstanden ist, wenn „Europa jetzt zum Zentralstaat wird, statt zum Europa der Volksländer“.

Ein zu verhinderndes Schreckensszenario, dem sich der FDP-Politiker Schäffler sofort angeschlossen hat. Er werde den Rettungsschirmen nicht zustimmen, beteuerte Schäffler, weil sie niemandem helfen würden. Weder den Griechen, die auch mit noch so viel Geld und Zeit nicht wieder auf die Beine kämen. Und auch nicht anderen Schuldenländern, die in den Hilfen Deutschlands nichts anderes sähen, als eine Aufforderung, mit dem Schuldenmachen fortzufahren. Nur Geld würden die Rettungsschirme kosten, „unser Geld“. Schäfflers Mahnung daher: „Europa muss aus der Rechtlosigkeit heraus geführt werden.“ Und das ginge nur mit einem Regelwerk, an das sich alle halten müssten. Und wer sich nicht daran hält, der sollte „zum Austritt gezwungen werden“. Davon will der FDP-Politiker in diesem Herbst die Mehrheit seiner Parteifreunde überzeugen. Die Unterstützung der „Zivilen Koalition für Deutschland“, das wurde an diesem Mittwoch in Berlin deutlich, ist ihm dafür sicher.

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