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Politik: Die große Koalitionsfamilie

Bei Kinderbetreuungskosten wollen Union und SPD bald eine Einigung verkünden – noch wird gerechnet

Berlin - Zahlen nennt Olaf Scholz nicht, doch er verströmt großkoalitionäre Zuversicht. „Wir werden uns einigen, und Sie werden sich freuen“, kündigt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD am Mittwoch an. „Spätestens nächste Woche“ wollen die Fraktionschefs von Union und SPD die neue Einigung bei der Familienförderung verkünden. Derweil rechnen die Fachleute, denn diesmal soll der Kompromiss halten. Man habe sich, sagt Scholz, gegenseitig ein „Seriösitätsversprechen“ gegeben.

Nicht ohne Grund. Die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, von der Koalitionsklausur in Genshagen als Teil des 25-Milliarden-Programms beschlossen, wird bei Union und SPD unverändert von guten Absichten getragen. Aber nicht von gleichen. Unmittelbar nach Genshagen entdeckten beide Seiten Grundsätze im Detail.

In der Union wurde die Frage gestellt, ob mit der Steuerbegünstigung für berufstätige Eltern nicht ein Familienleitbild einseitig begünstig würde. Die daraus folgende Forderung, die Steuerentlastung auf Einzelverdienerfamilien auszuweiten, hat zwar den Segen von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefunden, die damit Bedenken aus den eigenen Reihen entgegengekommen ist. Für die SPD wäre das aber eine weitere Hürde. Denn die Sozialdemokraten haben Genshagen ihrerseits mit grundsätzlichen Einwänden in Frage gestellt. Die Regelung entlastet nämlich erst oberhalb eines Sockelbetrags von 1000 Euro. Wer es also besonders nötig hat, nämlich Alleinerziehende und Geringverdiener, hat nichts oder weniger davon als gut verdienende Mittelschichtenfamilien. Außerdem betont die SPD, es müsse mit dieser Maßnahme in erster Linie um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, also die steuerliche Begünstigung jeder Form von Kinderbetreuung gehen. Die Union verweist dagegen darauf, es gehe in erster Linie um die Schaffung von Arbeitsplätzen in privaten Haushalten – eine Begründung, mit der sich CDU-Chefin Angela Merkel die unausgetragenen Familienfragen in den eigenen Reihen vom Leib halten will.

Fest steht für die fleißigen Rechner nur der feste Rahmen, den der Finanzminister gesetzt hat: Mehr als 460 Millionen Euro darf das Ganze nicht kosten. Der Kompromiss muss also dem übersichtlichen Schema folgen: Wer mehr will, muss anderswo abgeben. Wenn beispielsweise der Sockel gesenkt wird, kann die Förderung nur für Kinder bis zu 12, nicht 14 Jahren finanziert werden. Und die zusätzliche Förderung der Einzelverdienerfamilie dürfte sich durch den finanzpolitischen Hinweis erledigen, dass sie durch das Ehegattensplitting bereits kräftig steuerlich begünstigt wird.

Es ist wahrscheinlich, dass die große Koalition diese Rechenübung erfolgreich zu Ende bringen wird. Erstaunlich aber bleibt, wie sehr die Familienpolitik an Grundsätze rührt, selbst wenn es nur um kleine Münze geht. SPD-Chef Matthias Platzeck begleitet die Kompromisssuche mit einem großen Interview in der „Zeit“, Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) äußert sich im „Stern“. Platzeck akzentuiert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ausdrücklich gegen Merkels Begründung.

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