zum Hauptinhalt

DIE GRÜNEN UND DER LIBERALISMUS: Jeder nach seiner Façon – aber solidarisch

Im Wahlprogramm der Grünen tauchte der „Veggie Day“ als Marginalie auf Seite 164 auf. Doch der Vorschlag, einen fleischlosen Tag pro Woche in Kantinen einzuführen, wurde für die Partei im Wahlkampf zum Desaster: Sie bekam das Label der „Verbotspartei“ verpasst, die den Menschen einen bestimmten Lebensstil vorschreiben will.

Im Wahlprogramm der Grünen tauchte der „Veggie Day“ als Marginalie auf Seite 164 auf. Doch der Vorschlag, einen fleischlosen Tag pro Woche in Kantinen einzuführen, wurde für die Partei im Wahlkampf zum Desaster: Sie bekam das Label der „Verbotspartei“ verpasst, die den Menschen einen bestimmten Lebensstil vorschreiben will. Mehrere Grünen-Politiker aus Bund und Ländern haben nun ein Strategiepapier vorgelegt, das sich auf acht Seiten der Frage widmet, wie ein grüner Liberalismus aussehen kann. „Die Farbe der Freiheit ist grün“, postulieren die Autoren, zu denen die Bundestagsabgeordneten Kai Gehring, Irene Mihalic, Özcan Mutlu und Ulle Schauws gehören. Es sei an der Zeit, das freiheitliche Profil der Grünen stärker als bisher herauszustellen, fordern sie ihre Partei auf. Jeder solle seine „eigene Idee des Lebens“ verwirklichen können. „Mit unserem Zugang zu diesem Thema haben wir ein Alleinstellungsmerkmal im politischen Wettbewerb“, schreiben sie weiter. Es ist der erste größere Debattenbeitrag, in dem Grünen-Politiker nicht nur Lehren aus dem missglückten Wahlkampf ziehen, sondern auch zu definieren versuchen, wie die Grünen die Lücke schließen können, welche die FDP nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag hinterlässt. Die Autoren grenzen ihren „solidarischen“ Freiheitsbegriff allerdings klar von dem der FDP ab. Jeder solle so leben können, wie er wolle – „nicht auf dem Rücken anderer, nicht auf Kosten noch ungeborener, künftiger Generationen und nicht als Adressat eines übertriebenen Etatismus“. Nur ein starker und handlungsfähiger Staat könne die Infrastruktur bieten, die allen Freiheit und Chancengerechtigkeit ermögliche, argumentieren sie. Der Staat dürfe aber nicht von oben herab administrieren, gängeln oder beschämen. Bürger seien „keine Untertanen“, das müsse bei der Arbeitsagentur ebenso gelten wie gegenüber der Bürgerinitiative. In ihrem Papier stellen die Autoren außerdem ausführlich dar, wodurch aus ihrer Sicht Freiheit gefährdet wird. Dabei nennen sie unter anderem den Erhalt der Umwelt. „Wenn unsere natürlichen Lebensgrundlagen bedroht sind, sind wir nicht frei“, heißt es. Freie und mündige Entscheidungen könne außerdem nur derjenige treffen, der sich zum Beispiel auf die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln verlassen könne. An dieser Stelle müsse es deshalb klare Regeln für den Markt geben. Als weitere Gefahren für die Freiheit führen die Grünen-Politiker große soziale Ungleichheit und das Ausschnüffeln der Privatsphäre durch Konzerne und Geheimdienste an. Cordula Eubel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false